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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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was weniger klug war, nach einer Zigarette und zündete, während er die Nummer des Notrufs wählte, ein Streichholz an. Die nun folgende Explosion ließ alle bisherigen Katastrophen im Sandicott Crescent verblassen. Ein Feuerball umhüllte Mr. O‘Brain, wogte durch die Küche, zerschmetterte Vorder- wie Hintertür und sämtliche Fenster im Erdgeschoß, zerstörte den Wintergarten, riß Putz von der Decke und verwandelte das dicke emaillierte Porzellan der Toilettenschüssel im Erdgeschoß in Schrapnell, das durch die Klotür schoß und sich in die gegenüberliegende Flurwand bohrte. In Sekundenschnelle hatte sich Nummer 9 von Britisch-Bauhaus in einen Berliner Bunker verwandelt, woran eine ganze Serie aufeinanderfolgender Explosionen schuld war, die Schränke von Wänden rissen, Mr. O‘Brain vom Telefon, das Telefon aus seiner Anschlußbuchse, Gynäkologiebücher aus ihren Regalen und schließlich, als sich der Druck nach oben ausbreitete, das Flachdach aus seiner Verankerung hoben und Betonteile vorne auf der Straße und hinten im Garten verstreuten. Durch ein unbegreifliches Wunder hatte Mr. O‘Brain die Detonation überlebt und war, immer noch den Telefonhörer umklammernd, durch das Salonfenster auf den Schotter seiner Auffahrt katapultiert worden, so nackt wie weiland Mr. Simplon, aber zur Unkenntlichkeit geschwärzt und mit bis auf klägliche Reste verschmortem Schnurrbart samt Haupthaar. Dort wurde er von Oberst Finch-Potter und seinem Bullterrier gefunden, wie er über die IRA und die Unfähigkeit der britischen Polizei herzog.
Es war ein unglückliches Zusammentreffen. Oberst Finch-Potter hegte äußerst rigide Ansichten über die Iren, und Mr. O‘Brain hielt er wegen dessen Berufs schon immer für einen irischen Mösenfummler. Da er, mit einer gewissen minimalen Berechtigung, annahm, Mr. O‘Brain habe dieses Inferno selbst beim Bombenbasteln verursacht, übte er das jedem Bürger zustehende Recht auf Festnahme durch Zivilpersonen aus, und daß der verstörte Mr. O‘Brain Widerstand leistete, verschlimmerte die Lage nur noch. Der Bullterrier, nicht einverstanden mit diesem Widerstand, besonders nicht mit dem Schlag, den Oberst Finch-Potter gerade auf die Nase bekommen hatte, verwandelte sich von einem liebenswürdigen Haustier in ein bissiges und schlug seine makellosen Beißer in Mr. O‘Brains Unterschenkel. Als der Polizeiwagen nach zwei Minuten eintraf, war Mr. O‘Brain den Klauen des Obersten entronnen und erklomm für einen Mann seines Alters und seiner sitzenden Tätigkeit erstaunlich behende das Spalier seiner Magnolien, was sich jedoch durch den in seinem Hintern verbissenen Bullterrier erklärte. O‘Brains Schreie waren wie die von Mr. Raceme, Mrs. Truster und Mrs. Grabble noch über das Vogelschutzgebiet hinaus und unter der Straßenoberfläche zu hören, wo
Lockhart in aller Eile den Kitt aus dem Abflußrohr klaubte und den Schlauch zurück ins Wilsonsche Haus schleppte. Zehn Minuten später, als weitere Polizeiwagen die Einfahrt zum Sandicott Crescent abriegelten und nur den Krankenwagen durchließen, tauchte Lockhart aus der Kanalisation auf, überquerte den Garten hinter dem Haus der Wilsons und ging nach Hause, um ein Bad zu nehmen. Jessica empfing ihn im Morgenmantel.
»Was war das für ein gräßlicher Knall?« fragte sie.
»Keine Ahnung«, sagte Lockhart, »ich dachte, es wäre vielleicht die Kanalisation der Wilsons.« Nachdem er somit seinen ekligen Gestank erklärt hatte, schloß er die Badezimmertür und zog sich aus. Zwanzig Minuten später begleitete er Jessica die Straße hinunter, um sein Werk zu begutachten. Mr. O‘Brain mußte immer noch aus dem Spalier befreit werden, was die Mitarbeit des Bullterriers erforderte, die dieser jedoch, da er endlich die Zähne in etwas Saftiges hatte schlagen können, offenbar lieber verweigerte. Oberst Finch-Potter war ähnlich unkooperativ. Seine Abneigung gegen Mr. O‘Brain und seine Bewunderung für die britische Hartnäckigkeit seines Bullterriers im Verein mit dem Schlag, den er auf die Nase erhalten hatte, verstärkten allesamt seine Auffassung, der verfluchte Ire habe bekommen, was er verdiente, und daß es einem bombenbastelnden Schwein wie ihm recht geschehe, in die eigene Falle zu tappen. Schließlich war es das Spalier, das nachgab. Mr. O‘Brain und der Bullterrier fielen von der Mauer und auf die Auffahrt, wo die Polizisten versuchten, die beiden zu trennen. Es gelang ihnen nicht. Der Bullterrier litt offenbar an

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