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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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einmal mit Mr. O‘Brain in diesem Krankenwagen gefahren, und in seinem glühenden Kopf flackerten verschüttete Erinnerungen wieder auf. Den Krankenwagen als Verbrechen an der Natur betrachtend, senkte er mit der geballten Triebkraft eines Zwergnashorns den Kopf und stürmte über die Straße. In dem Irrglauben, die Pettigrews in Nummer 6 brauchten ihre Hilfe, hatten die Sanitäter vor deren Haus angehalten. Lange hielten sie nicht. Das Untier mit rosa Augen, das den ersten Sanitäter umwarf, den zweiten biß und sich auf die Kehle des dritten stürzte, diese glücklicherweise verfehlte und über der Schulter des Mannes abtauchte, veranlaßte sie, in ihrem Fahrzeug Schutz zu suchen, und die mißliche Lage von Mr. und Mrs. Lowry, dreier Polizisten und des Obersten ignorierend, dessen Schreie ein wenig nachgelassen hatten, nachdem er seinen Penis in der Küche mit einem Brotmesser bearbeitet hatte, fuhren sich die Sanitäter so rasch sie konnten selbst ins Krankenhaus.
Sie hätten warten sollen. Mr. Pettigrew hatte kaum die Haustür geöffnet, um den Sanitätern, die geklingelt hatten, zu erklären, diesmal wisse er nicht, wer in der Straße einen solchen Krach mache, als etwas zwischen seinen Beinen hindurch und die Treppe hinaufhetzte. Leider schloß Mr. Pettigrew die Tür, wodurch er diesmal unabsichtlich soziale Verantwortung unter Beweis stellte. In den nächsten zwanzig Minuten verwüstete Oberst Finch-Potters Bullterrier das Haus der Pettigrews. Er allein wußte, was er in troddelbehangenen Lampenschirmen und violetten Vorhängen sah, von Frisierkommoden mit plissiertem Saum und den Mahagoniholzbeinen der Pettigrewschen Eßzimmergarnitur ganz zu schweigen, aber sie hatten für ihn offensichtlich eine ganz neue furchteinflößende Bedeutung angenommen. Mit untadelig gutem Geschmack und unglaublicher Wildheit vorgehend, pflügte er eine Schneise der Verwüstung durch die Möbel und grub auf der Suche nach einem psychedelischen Knochen Löcher in einen Perserteppich, während die Pettigrews in dem Einbauschrank unter der Treppe hockten. Schließlich sprang er sein Spiegelbild in den Terrassenfenstern an, durch die er in die Nacht stürzte. Danach konnte man sein furchtbares Geheul aus dem Vogelschutzgebiet hören. Oberst Finch-Potters Geheul war schon seit langem verstummt. Er lag mit einer Käsereibe auf dem Küchenboden und bearbeitete gewissenhaft und voller Hingabe das Ding, das einmal sein Penis gewesen war. Daß das ätzende Kondom sich unter den Rillen seines Brotmessers schon vor geraumer Zeit aufgelöst hatte, wußte er nicht, und es war ihm auch gleichgültig. Ihm genügte, daß der Gummiring noch da und sein Penis dreimal so groß wie sonst war. So machte er sich in dem aberwitzigen Versuch daran zu schaffen, aus dem phallischen Ungeheuer etwas Übersichtlicheres zu schnitzen. Außerdem verursachte die Käsereibe, verglichen mit dem Ofenreiniger, einen regelrecht homöopathischen Schmerz und brachte Erleichterung, wenn auch nur vorübergehend. Hinter ihm hatte die mit Hüfthalter und BH ausstaffierte Metze auf einem Küchenstuhl einen hysterischen Anfall, und ihr Kreischen brachte schließlich die drei Polizisten im Streifenwagen dazu, ihrer Pflicht nachzukommen. Daß die blutigen und geduckten Beamten es so eilig hatten, die Haustür einzutreten, war mindestens ebensosehr ihrer Angst vor dem Bullterrier wie ihrem Wunsch zuzuschreiben, das Haus zu betreten. Als sie endlich drin waren, konnten sie sich nicht entscheiden, ob sie bleiben oder sofort wieder verschwinden sollten. Der Anblick eines nackt auf dem Küchenfußboden sitzenden alten Herrn mit braunrotem Gesicht, der mit einer Käsereibe etwas bearbeitete, das wie ein unter zu hohem Blutdruck leidender Kürbis aussah, während eine einzig und allein mit einem Hüfthalter bekleidete Frau kreischte, unverständlich brabbelte und sich zwischendurch immer wieder ein paar Schlucke aus einer Brandyflasche genehmigte, gab ihnen keineswegs das Gefühl, es mit zurechnungsfähigen Menschen zu tun zu haben. Als wären Inferno und Chaos nicht groß genug, fiel schließlich auch noch das Licht aus, und das Haus versank in Finsternis. Das gleiche geschah in allen anderen Häusern der Straße. Die Konzentration der Kräfte von Polizei und Sanitätern auf die Nummern 6 und 10 ausnutzend, hatte sich Lockhart auf den Golfplatz geschlichen und seinen patentierten Kurzschlußerzeuger über die Hauptstromleitung geworfen. Als er wieder zu Hause eintraf, war sogar

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