Familienbande
Bestsellerliste auf Platz zwei und schließlich ganz nach oben kletterte. Nun schlug Lockhart zu. Mit einem Exemplar des Buches fuhr er nach London, wo er einen halben Nachmittag im Büro des jüngeren der beiden Giblings verbrachte, die andere Hälfte im Büro des älteren, in Anwesenheit des jungen Mr. Gibling. Als er ging, waren die Giblings völlig aus dem Häuschen vor juristischer Ekstase. Trotz all ihrer Erfahrung œ und der alte Mr. Gibling verfügte über beträchtliche Erfahrung in Beleidigungssachen œ war ihnen ein Fall von so eklatanter und unverfroren bösartiger Verleumdung noch nie untergekommen. Es kam noch besser: Miss Geneviève Goldrings Verlag war unglaublich reich, was weitgehend auf ihre Beliebtheit zurückzuführen war, und nun würde er bei dem außergerichtlichen Vergleich, dank Miss Goldrings bösartiger Verleumdung, unglaublich großzügig sein, oder, und das wäre am allerbesten, man würde so unglaublich dumm sein, es auf einen Prozeß ankommen zu lassen, eine so überaus wünschenswerte Variante, daß die Herren Gibling mit raffinierter Zurückhaltung vorgingen, um die Gegenpartei zu ködern.
Sie verfaßten ein höfliches Schreiben an die Herren Verleger Shortstead in der Edgware Road, in dem sie ihnen eine unglückselige Tatsache mitteilten, die ihnen von einem Klienten, einem gewissen Mr. Lockhart Flawse, zur Kenntnis gebracht worden sei, daß nämlich sein Name in dem überaus erfolgreichen Roman Lied des Herzens von Geneviève Goldring, verlegt von den Herren Shortstead, auftauche, und daß sie sich infolge dieses traurigen Irrtums zu dem bedauerlichen Vorgehen gezwungen sahen, den Herren Shortstead zu raten, den Mr. Flawse durch die Verunglimpfung seiner Person in dem Buch, an seinem privaten, beruflichen und ehelichen Ruf entstandenen Schaden durch eine finanzielle Entschädigung und die Begleichung der anfallenden juristischen Kosten wiedergutzumachen sowie gleichzeitig sämtliche noch nicht verkauften Exemplare aus dem Verkehr ziehen und einstampfen zu lassen.
»Das müßte als Köder genügen«, sagte Mr. Gibling zu Mr. Gibling. »Es bleibt die inständige Hoffnung, daß sie sich eines aufstrebenden jungen Mannes unseres Gewerbes bedienen, der ihnen rät, es auf einen Prozeß ankommen zu lassen.«
Dies taten die Herren Shortstead. In der Antwort des unerfahrensten Mitglieds der Anwaltskanzlei Coole, Porter, Stoole und Folsom und Partner, eines gewissen Mr. Arbutus, stand, daß die Herren Shortstead und die Autorin von Lied des Herzens, im folgenden »der Roman« genannt, zwar bereit seien, Mr. Flawse ihre Entschuldigungen, seine Anwaltskosten sowie, falls nötig, eine kleine Summe wegen der ihm zugefügten Kränkung anzubieten, zu einem Rückruf sämtlicher unverkauften Exemplare etc. jedoch weder verpflichtet seien noch all dies in Betracht zögen, geschweige denn sich damit einverstanden erklären würden. Das Schreiben schloß mit den versöhnlichen Worten, Coole, Porter, Stoole und Folsom und Partner freuten sich darauf, von Mr. Gibling zu hören. Mr. Gibling und Mr. Gibling bezweifelten das. Sie ließen die Angelegenheit vierzehn Tage lang ruhen, ehe sie zuschlugen.
»Vierhunderttausend Pfund Schadenersatz? Höre ich recht?« sagte Mr. Folsom, als Mr. Arbutus ihm ihr Antwortschreiben zeigte. »So was Absurdes habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelesen. Giblings sind durchgedreht. Natürlich gehen wir vor Gericht.«
»Gericht?« wiederholte Mr. Arbutus. »Irgend etwas müssen sie in der Hand haben ...«
»Bluff, Jungchen, nichts als Bluff«, sagte Mr. Folsom, »natürlich habe ich das Buch nicht gelesen, aber so eine Summe hat es bei unabsichtlicher Beleidigung noch nie gegeben. Wenn ich‘s mir recht überlege, hat es so was auch bei absichtlicher Beleidigung noch nie gegeben. Bestimmt ein Tippfehler.«
Doch diesmal irrte Mr. Folsom. Mr. Shortstead, der sich auf seinen Rat statt auf seine eigene Intuition verließ, die ihm sagte, daß Lied des Herzens sich in der Atmosphäre irgendwie ein wenig von Miss Goldrings zahlreichen anderen Romanen unterschied, wies Mr. Arbutus an, in diesem Sinne zu antworten und die natürliche Ordnung auf den Kopf zu stellen, indem er Mr. Gibling und Mr. Gibling mitteilte, sie sollten ruhig klagen und verdammt sein. Und als dem älteren Mr. Gibling am nächsten Morgen im dritten Stock von Blackstones House, Lincoln‘s Inn, London, die Post von dem Chefsekretär vorgelegt und geöffnet wurde, entdeckte dieser ergraute und ernste
Weitere Kostenlose Bücher