Familienbande
Gentleman zum erstenmal in seinem Leben, daß jener auf der Schreibtischplatte einen recht flotten Hornpipe tanzen konnte; anschließend verlangte er, daß man ihm umgehend zwei, nein, drei Flaschen des besten Champagners herbeischaffen solle, koste es, was es wolle.
»Wir haben sie im Sack«, sang er ausgelassen, als der jüngere Mr. Gibling eintraf. »Oh Herr, daß ich diesen Tag noch erleben durfte. Im Sack, du mein Bruder, im Sack. Lies es noch mal vor. Ich muß es unbedingt hören.«
Und Mr. Gibling zitterte in prozeßsüchtiger Ekstase, als die Worte »klagt und seid verdammt« im Räume schwebten.
»Klagt und seid verdammt«, brabbelte er. »Klagt und seid verdammt. Ich kann es kaum erwarten, daß der gegnerische Anwalt diese Drohung vor Gericht ausspricht. Wenn ich an das Gesicht des Richters denke! Wie herrlich, Bruder, wie herrlich das alles ist. Die Juristerei hat doch auch ihre kostbaren Augenblicke. Laß uns diesen wundervollen Tag in vollen Zügen genießen.«
Mr. Partington, der Chefsekretär, brachte den Champagner, und Mr. Gibling und Mr. Gibling ließen ihn noch ein drittes Glas holen. Dann erst brachten sie einen feierlichen Trinkspruch auf Mr. Lockhart Flawse aus 12 Sandicott Crescent aus, der gleichzeitig in ihr Leben und aus den Seiten von Miss Geneviève Goldrings Roman mit dem so überaus passenden Titel getreten war. An diesem Tag wurde im Blackstones House, Lincoln‘s Inn, wenig gearbeitet. Vorladungen aufzusetzen ist keine sehr anstrengende Tätigkeit, und die von Gibling und Gibling im Auftrage von Lockhart Flawse, Kläger, an Geneviève Goldring und die Herren Shortstead, Angeklagte, ausgestellte unterschied sich nicht von anderen und stellte lediglich fest, daß Elisabeth II., von Gottes Gnaden Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland sowie Unserer anderen Besitzungen und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens Geneviève Goldring, mit eigentlichem Namen Miss Magster, zu Händen der Herren Shortstead ... aufforderte: »WIR befehlen euch, daß Ihr Euch innerhalb von vierzehn Tagen nach Zustellung dieser Vorladung, den Tag der Zustellung mitgerechnet, auf Antrag des Lockhart Flawse vor Gericht einfindet und wisset, daß der Kläger, falls dies nicht geschieht, einen Prozeß anstrengen wird und in Eurer Abwesenheit ein Urteil ergehen kann.«
Das Schriftstück wurde am folgenden Tag zugestellt und führte zu gelinder Bestürzung in den Büros der Herren Shortstead sowie zu großer Bestürzung in denen von Coole, Porter, Stoole und Folsom und Partners, wo Mr. Arbutus nach Lektüre von Lied des Herzens das scheußliche Ausmaß der dem oben genannten Lockhart Flawse zugefügten Verleumdung entdeckt hatte; daß jener nämlich die Angewohnheit habe, sich von seiner Frau, Jessica, ans Bett fesseln und auspeitschen zu lassen und umgekehrt, und wenn er nicht peitschte oder gepeitscht werde, stehle er aus Banken Geld, wobei er mehrere Bankkassierer erschossen habe.
»Wir können nicht einmal auf unabsichtliche Beleidigung plädieren«, sagte er zu Mr. Folsom, doch der ehrenwerte Mann war anderer Meinung.
»Keine Autorin, die noch einigermaßen bei Tröste ist, würde mit Bedacht ein Buch verfassen, in dem sie eine ihr bekannte Person benennt und ihr all diese Perversionen und Verbrechen zuschreibt. Das Ganze ist Blödsinn.« Dieser Ansicht schloß sich Geneviève Goldring an. »Habe von dieser Kreatur noch nie gehört«, teilte sie Mr. Shortstead und Mr. Arbutus mit, »außerdem hört sich der Name verboten an. Ehrlich gesagt wüßte ich nicht, daß ich je etwas über einen Lockhart Flawse mit einer Frau namens Jessica geschrieben hätte.«
»Aber es steht doch im Lied des Herzens«, gab Mr. Arbutus zu bedenken, »das müssen Sie doch gelesen haben. Schließlich haben Sie es geschrieben.«
Geneviève Goldring schnaubte. »Ich schreibe fünf Romane im Jahr. Sie können nicht von mir erwarten, daß ich den üblen Schund auch noch lese. Ich lege die Angelegenheit in die kompetenten Hände von Mr. Shortstead.«
»Aber prüfen Sie denn nicht die Druckfahnen?«
»Junger Mann«, sagte Miss Goldring, »meine Fahnen müssen nicht geprüft werden. Stimmt‘s oder habe ich recht, Mr. Shortstead.«
Mr. Shortstead hielt mittlerweile zwar eine andere Ansicht für wahrscheinlich, hielt aber auch den Mund.
»Sollen wir denn auf unabsichtliche Beleidigung plädieren?« fragte Mr. Arbutus.
»Ich sehe keinen Grund, uns überhaupt einer Beleidigung schuldig zu
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