Familienbande
einzuwenden«, sagte Mr. Widdershins, woraufhin sich das Gericht erneut vertagte.
Später an diesem Nachmittag sagten zwei Experten über Graphologie und Typographie unter Eid aus, das Manuskript von Lied des Herzens sei mit genau derselben Maschine wie die Bücher Der Schrein des Königs und Mädchen des Moorlandes geschrieben, getippt und hergestellt worden, die beide von Miss Goldring verfaßt worden waren. Mr. Fescue setzte sein Kreuzverhör der Beklagten fort.
»Da wir nun zweifelsfrei feststellen konnten, daß Sie Lied des Herzens geschrieben haben«, sagte er, »hätte ich gern von Ihnen erfahren, ob sie nicht auch mit dem Kläger, Mr. Lockhart Flawse, persönlich bekannt sind?«
Miss Goldring setzte gerade dazu an, dies vehement zu leugnen, als Mr. Fescue sie unterbrach. »Ehe Sie einen Meineid leisten«, sagte er, »möchte ich Sie bitten, die von Mr. Flawse unter Eid gemachte Aussage zu bedenken, daß Sie ihn in Ihr Haus eingeladen und zum Genuß von Crème de menthe aufgefordert haben.«
Aus ihrem Zeugenstand starrte Miss Goldring ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Woher wissen Sie das?« fragte sie.
Mr. Fescue lächelte zu dem Richter und der Jury hinüber. »Weil Mr. Flawse mir das gestern unter Eid versichert hat«, antwortete er.
Aber Miss Goldring schüttelte den Kopf. »Über die Crème de menthe«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Das hat mir der Kläger ebenfalls berichtet, allerdings privat«, sagte Mr. Fescue. »Sie trinken also Crème de menthe?«
Miss Goldring nickte kläglich.
»Ja oder nein«, fragte Mr. Fescue schneidend.
»Ja«, sagte Miss Goldring. Sowohl Mr. Widdershins als auch Mr. Shortstead schlugen die Hände vor ihre Gesichter. Mr. Fescue setzte seine Wühlarbeit fort. »Stimmt nicht auch, daß in Ihrem Schlafzimmer ein blauer goldgesprenkelter Teppich liegt, daß Ihr Bett herzförmig ist, daß neben ihm eine Lampe mit malvenfarbigem plissiertem Schirm steht und daß Ihre Katze den Namen Pinky trägt? Sind das nicht alles Tatsachen?«
Daß diese Informationen zutrafen, stand außer Zweifel. Miss Goldrings Gesichtsausdruck sprach Bände. Doch nun holte Mr. Fescue zum coup de grâce aus.
»Und stimmt es vielleicht nicht, daß Sie sich einen Köter namens Bloggs einzig und allein aus dem Grund halten, jeden fernzuhalten, der Ihr Haus ohne Ihre Einwilligung und/oder Anwesenheit zu betreten versucht?« Wieder erübrigte sich eine Antwort. Mr. Fescues Informationen stimmten: Er hatte sie von Lockhart erhalten, dieser wiederum von Jessica.
»So daß«, fuhr Mr. Fescue fort, »Mr. Flawse ohne Ihre Einwilligung keine schriftliche beeidete Erklärung des Inhalts hätte abgeben können, daß Sie ihn aus eigenem Antrieb in Ihr Haus einluden, und zwar in der Absicht, ihn zu verführen, und daß Sie, als Ihnen dies nicht gelang, sich mit Bedacht und vorsätzlich daranmachten, seine Ehe, seinen Ruf sowie seine berufliche Basis zu ruinieren, indem Sie ihn in ihrem Roman als Dieb, perversen Menschen und Mörder porträtierten. Stimmt das nicht auch?«
»Nein«, kreischte Miss Goldring, »das stimmt nicht. Ich habe ihn nie zu mir eingeladen. Ich habe nie ...« Es folgte ein katastrophales Zögern. Sie hatte diversen jungen Männern angeboten, das Bett mit ihr zu teilen, aber ...
»Ich habe keine weiteren Fragen an diese Zeugin«, sagte Mr. Fescue und setzte sich.
In seinem Resümee blieb Richter Plummery der grimmigen Unparteilichkeit treu, für die er bekannt war. Miss Goldrings Aussage sowie ihr Verhalten im Zeugenstand und außerhalb desselben hatten bei ihm keinerlei Zweifel daran gelassen, daß sie eine Lügnerin war, eine Prostituierte in der literarischen wie sexuellen Bedeutung des Wortes, die sich vorsätzlich darangemacht hatte, das zu erreichen, was Mr. Fescue behauptet hatte. Die Jury zog sich zwei Minuten lang zurück und hielt die Beleidigung für bewiesen. Es war Sache des Richters, den privaten wie finanziellen Schaden des Klägers in einer Größenordnung festzulegen, die, wenn man die Inflationsrate in Betracht zog, welche gegenwärtig und für die absehbare Zukunft bei achtzehn Prozent stand und stehen würde, bei einer Million Pfund Sterling lag, und des weiteren zu erklären, er werde die Prozeßunterlagen an den Generalstaatsanwalt weiterleiten, in der Hoffnung, daß die Beklagte wegen Meineids angeklagt würde. Miss Geneviève Goldring wurde ohnmächtig, und Mr. Shortstead half ihr nicht auf die Beine.
An jenem Nachmittag gab es in den Büros der Herren Gibring und Gibling
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