Familienbande
satanische Stethoskop von meiner Brust, du blutgieriger Egel. Nicht meinHerz macht Ärger, sondern mein Hirn.«
Und während er die ganze Nacht lang gegen die infernalische Welt und ihre Ungerechtigkeit wetterte, schalteten Lockhart und Mr. Dodd den Kassettenrecorder abwechselnd an und aus.
In derselben Nacht fing es an zu schneien, was die Straße über die Flawse-Hochebene unpassierbar machte. Mr. Dodd häufte Kohlen auf das Feuer im Schlafzimmer, das Mr. Flawse irrtümlich für das Höllenfeuer hielt. Entsprechend wurde seine Sprache zunehmend gewalttätiger. Was auch immer geschehen mochte, er würde nicht sanft in jener Unterwelt verschwinden, an die zu glauben er immer abgelehnt hatte.
»Ich sehe dich, du Teufel«, rief er, »bei Luzifer, ich packe dich am Schwanz. Hebe dich hinweg!«
Und dann und wann schweifte er ab. »S‘ist Jagdwetter, Ma‘am, ich wünsche Euch einen guten Tag«, erklärte er ganz vergnügt, »die Hunde werden die Fährte zweifellos aufnehmen. Ich wünschte, ich wäre wieder jung und könnte mit der Meute reiten.«
Doch er wurde jeden Tag schwächer, und seine Gedanken wandten sich der Religion zu.
»Hab nicht an Gott geglaubt«, murmelte er, »aber wenn es einen Gott gibt, hat der alte Trottel schlimm gepfuscht, als er die Welt schuf. Der alte Dobson, der Steinmetz von Belsay, hätte sie besser machen können, dabei war er kein sehr talentierter Handwerker, trotz allem, was er beim Bau des Herrenhauses von den Griechen gelernt hat.«
Der neben dem Recorder sitzende Lockhart stellte das Gerät ab und fragte, wer Dobson gewesen sei, aber Mr. Flawses Gedanken hatten sich erneut der Schöpfung zugewandt. Lockhart schaltete den Kassettenrecorder wieder an.
»Gott, Gott, Gott«, murmelte Mr. Flawse, »falls das Aas nicht existiert, sollte er sich dafür schämen, und einen anderen Glauben braucht der Mensch nicht. Sich so verhalten, daß Gott sich schämen muß, weil er nicht existiert. Aye, und unter Dieben herrscht mehr Ehre, als in einem Haufen gottgläubiger Heuchler, die Gesangbücher in den Händen und ihren eigenen Vorteil im Herzen tragen. Außer bei dem einen oder anderen Begräbnis war ich seit fünfzig Jahren in keiner Kirche. Und dabei soll‘s auch bleiben. Lieber laß ich mich wie dieser ketzerische Utilitarist Bentham in ein Einmachglas füllen, als bei meinen verfluchten Vorfahren beerdigt zu werden.«
Seine Worte registrierte Lockhart aufmerksam, anders als Mrs. Flawses Beschwerden, daß sie kein Recht hätten, sie in ihr Zimmer einzusperren, was außerdem unhygienisch sei. Lockhart ließ ihr von Mr. Dodd eine Rolle Toilettenpapier bringen und ausrichten, sie solle den Inhalt ihres Nachttopfes aus dem Fenster leeren. Dies tat Mrs. Flawse, zum Schaden Mr. Dodds, der gerade unten vorbeiging. Anschließend machte Mr. Dodd einen großen Bogen um das Fenster und gab Mrs. Flawse zwei Tage lang nichts zu essen.
Es schneite ununterbrochen weiter, und Mr. Flawse ließ weiter blasphemische Tiraden vom Stapel und beschuldigte den abwesenden Dr. Magrew, an ihm herumzupfuschen, dabei waren es die ganze Zeit über Lockhart oder Mr. Dodd mit dem Kassettenrecorder. Außerdem häufte er feurige Kohlen auf Mr. Bullstrodes Haupt und rief, er wolle diesen prozeßsüchtigen Blutsauger im Leben nicht mehr sehen, was, da Mr. Bullstrode wegen der Schneeverhältnisse ohnehin nicht zum Herrenhaus kommen konnte, sehr wahrscheinlich zu sein schien.
Zwischen diesen Tobsuchtsanfällen schlief er und gab klammheimlich den Geist auf. Lockhart und Mr. Dodd saßen in der Küche vor dem Feuer und schmiedeten Pläne für sein bevorstehendes Ende. Besonders beeindruckt hatte Lockhart der wiederholt geäußerte Wunsch des Alten, nicht begraben zu werden. Mr. Dodd hingegen wies darauf hin, daß er auch nicht eingeäschert werden wollte, seiner Einstellung zum Feuer im Schlafzimmer nach zu urteilen.
»Entweder das eine oder das andere«, sagte er eines Nachts. »Bei dieser Kälte hält er sich ja noch, aber ich bezweifle, daß man seine Gegenwart im Sommer immer noch als angenehm empfinden würde.«
Lockhart fiel schließlich die Lösung ein, als er eines Abends im Wehrturm stand und auf die an den Wänden hängenden verstaubten Fahnen, uralten Waffen und Tierköpfe starrte, und als der alte Mr. Flawse in der kalten Stunde vor dem Sonnenaufgang nach einer letzten gemurmelten Verwünschung der Welt verschied, war Lockhart bereit.
»Lassen Sie heute die Kassettenrecorder laufen«, sagte er zu Mr. Dodd, »und sorgen
Weitere Kostenlose Bücher