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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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war, sei er unrein.
Der Moment kam schneller als erwartet. Ende Dezember klingelte das Telefon. Es war Mr. Bullstrode, der aus Hexham anrief.
»Mein Junge«, sagte er ernst, »ich habe schlechte Nachrichten. Dein Vater, ich wollte sagen: dein Großvater ist schwer erkrankt. Dr. Magrew hat kaum Hoffnungen, daß er sich erholt. Ich finde, du solltest dich sofort auf den Weg machen.«
Mit Mordgelüsten gegenüber der alten Mrs. Flawse im Herzen fuhr Lockhart in seinem neuen Wagen, einem Dreiliter Rover, gen Norden, eine weinende Jessica zurücklassend.
»Kann ich denn nicht irgendwie helfen?« fragte sie, doch Lockhart schüttelte den Kopf. Wenn sein Großvater wegen etwas starb, was die alte Mrs. Flawse zu verantworten hatte, wollte er nicht, daß die Anwesenheit ihrer Tochter ihn davon abhielt, an der alten Hexe Rache zu nehmen. Doch als er über den Weg zu der überdachten Brücke unterhalb des Herrenhauses fuhr, teilte ihm Mr. Dodd mit, daß der Alte gestürzt sei, wenn auch nicht aus eigenem freien Willen, so doch jedenfalls nicht mit Unterstützung seiner Frau, die sich zur gleichen Zeit im Küchengarten aufgehalten habe. Mr. Dodd konnte dafür bürgen.
»Keine Bananenschalen?« sagte Lockhart. »Keine«, sagte Mr. Dodd. »Er ist in seinem Arbeitszimmer ausgerutscht und schlug mit dem Kopf gegen den Kohlenkasten.
Ich hörte, wie er fiel, und trug ihn nach oben.«
Lockhart ging die Treppe hinauf und betrat, Mrs. Flawses Wehklagen mit einem »Schweig, Weib« beiseite fegend, das Schlafzimmer seines Großvaters. Der alte Mann lag im Bett, neben ihm saß Dr. Magrew und fühlte seinen Puls.
»Sein Herz ist noch sehr kräftig. Sorgen mache ich mir über seinen Kopf. Man müßte ihn röntgen, ob vielleicht eine Fraktur vorliegt, aber ich wage nicht, ihn über schlechte Straßen zu transportieren. Wir müssen eben auf den lieben Gott und seine kräftige Konstitution vertrauen.«
Als wolle er eine Demonstration seiner Kraft geben, öffnete der alte Mr. Flawse ein böses Auge und verfluchte Dr. Magrew als Halsabschneider und Pferdedieb, bevor er wieder in ein Koma verfiel. Lockhart, Dr. Magrew und Mr. Dodd gingen nach unten.
»Er kann jeden Augenblick das Zeitliche segnen«, sagte der Arzt, »möglicherweise hält er aber auch noch Monate durch.«
»Was sehr zu hoffen wäre«, sagte Mr. Dodd und sah Lockhart bedeutungsvoll an, »er darf nicht sterben, ehe der Vater gefunden ist.« Lockhart nickte. Ihm war der gleiche Gedanke durch den Kopf gegangen. Und als Dr. Magrew mit dem Versprechen gegangen war, am Morgen wiederzukommen, setzten sich Lockhart und Mr. Dodd ohne Mrs. Flawse zum Beratschlagen in die Küche.
»Das wichtigste ist, daß die Frau nicht in seine Nähe kommt«, sagte Mr. Dodd. »Sie würde den Mann mit einem Kissen ersticken, sobald sich auch nur die geringste Gelegenheit bietet.«
»Wir verrammeln ihre Tür«, sagte Lockhart, »ihr Essen kriegt sie durchs Schlüsselloch.«
Mr. Dodd verschwand und kam ein paar Minuten später zurück, um zu verkünden, die Hündin sei in ihrem Zwinger angekettet.
»Also«, sagte Lockhart, »er darf nicht sterben.«
»Das liegt in den Händen der Götter«, sagte Mr. Dodd, »du hast doch den Doktor gehört.«
»Ich hab ihn gehört, trotzdem darf er nicht sterben.«
Eine Salve von Flüchen aus dem ersten Stock deutete an, daß Mr. Flawse sie nicht im Stich lassen wollte.
»Das kommt ab und zu vor. Beschimpft und beleidigt buchstäblich jeden.«
»Tatsächlich?« sagte Lockhart. »Damit bringen Sie mich auf eine Idee.«
Und am nächsten Morgen, noch ehe Dr. Magrew eintraf, brach er auf und fuhr über die schlechte Straße durch Hexham nach Newcastle. Dort verbrachte er den Tag in Radio- und HiFi-Läden und kehrte abends mit dem Wagen voller Gerätschaften zurück.
»Wie geht‘s ihm?« fragte er Mr. Dodd, mit dem er die Kartons ins Haus trug.
»Unverändert. Er brüllt und schläft und schläft und brüllt, aber der Arzt hat nur wenig Hoffnung. Und das alte Miststück trägt mit ihrer Stimme noch zu dem Getöse bei. Ich habe ihr gesagt, sie solle den Mund halten, sonst bekäme sie nichts zu essen.«
Lockhart packte einen Kassettenrecorder aus, und kurz darauf saß er neben dem Bett des Alten, während sein Großvater Beleidigungen in das Mikrofon schrie.
»Du verfluchtes herumschleichendes Schwein von einem schwarzbeseeltem Schotten«, brüllte er, als Lockhart ihm das Kehlkopfmikrofon um den Hals hing, »ich laß mich von dir nicht länger plagen und quälen. Und nimm dieses

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