Familienbande
Beleuchtung haben«, sagte der Italiener, »und er läuft Amok, als hält‘ ich irgendwas Furchtbares verlangt.«
»Du kriegst gleich irgendwas Furchtbares«, sagte Mr. Dodd, »wenn ich noch länger hier unten bei dir bleibe.«
Mr. Taglioni zuckte die Achseln. »Ihr holt mich her, damit ich diesen Mann ausstopfe. Ich hab‘ nicht drum gebeten. Ich hab‘ gebeten, nicht mitzukommen. Dann stopfe ich ihn aus und muß mir anhören, ich kriege was Furchtbares. Muß ich mir das bieten lassen? Nein. Das brauch‘ ich mir nicht anzuhören. Ich hab‘ schon was, das so furchtbar ist, daß es für den Rest meines Lebens reicht, nämlich meine Erinnerungen. Und wie steht‘s mit meinem Gewissen? Glaubt ihr vielleicht, meine Religion erlaubt mir, rumzulaufen und Menschen auszustopfen?«
Mr. Dodd wurde von Lockhart rasch zum Kassettenwechseln nach oben geschickt. Des verblichenen Mr. Flawses Repertoire an Verwünschungen wurde langsam eintönig. Sogar Mrs. Flawse beschwerte sich.
»Jetzt hat er Dr. Magrew zum fünfundzwanzigsten Mal aufgefordert, das Haus zu verlassen«, rief sie durch ihre Schlafzimmertür. »Warum geht der Unmensch nicht endlich? Sieht er denn nicht, daß er hier unerwünscht ist?«
Mr. Dodd legte die »Himmel und Hölle, Mögliche Existenz von« betitelte Kassette ein. Nicht, daß er auch nur im geringsten an der Existenz letzterer zweifelte. Was im Keller vor sich ging, bewies überdeutlich, daß die Hölle existierte. Über den Himmel verlangte er Gewißheit, und gerade lauschte er der teilweise bei Carlyle entlehnten Erörterung des Alten auf seinem Totenbett über die unsichtbaren Geheimnisse des göttlichen Geistes, als er Schritte auf der Treppe hörte. Einen Blick aus der Tür werfend, sah er, wie Dr. Magrew die Stufen heraufkam. Mr. Dodd warf die Tür ins Schloß und legte umgehend die alte Kassette wieder ein. Sie trug den Titel »Magrew und Bullstrode, Ansichten über«. Leider entschied er sich für Mr. Bullstrodes Seite, und kurz darauf hatte Dr. Magrew die Ehre, mitanzuhören, wie sein lieber Freund, der Anwalt, von seinem lieben Freund Mr. Flawse als prozeßgeiler Sproß einer syphilitischen Hure bezeichnet wurde, der am besten nie auf die Welt gekommen oder besser bei der Geburt kastriert worden wäre, bevor er Mr. Flawse und seinesgleichen durch permanente schlechte Beratung ihres Vermögens berauben konnte. Wenigstens blieb der Arzt dank dieser Tirade abrupt stehen. Er hatte immer große Stücke auf Mr. Flawses Urteilskraft gehalten und wollte gern mehr hören. Inzwischen war Mr. Dodd zum Fenster gegangen und sah hinaus. Der Schnee war soweit getaut, daß des Doktors Wagen die Brücke hatte passieren können. Jetzt mußte er sich etwas einfallen lassen, um ihm dem Zugang zu seinem verstorbenen Patienten zu verwehren. Lockhart, der mit einem Tablett, auf dem die Reste von Mr. Taglionis Mittagessen standen, den Keller verließ, kam ihm zu Hilfe.
»Ah, Dr. Magrew«, rief er, die Kellertür fest hinter sich schließend, »wie schön, daß Sie kommen. Großvater geht es heute morgen schon viel besser.«
»Das läßt sich nicht überhören«, sagte der Arzt, während Mr.
Dodd versuchte, die Kassette zu wechseln und Mr. Taglioni, vom Essen belebt, mit miserablem Erfolg Caruso imitierte. »Erheblich besser, dem Klang nach zu urteilen.«
Aus ihrem Schlafzimmer erkundigte sich Mrs. Flawse, ob dieser verfluchte Arzt wieder da sei. »Wenn er Dr. Magrew nur noch einmal sagt, er soll das Haus verlassen, drehe ich garantiert durch.«
Dr. Magrew zögerte ob der vielen Verwünschungen. In seinem Schlafzimmer hatte Mr. Flawse auf Politik umgeschaltet und bezichtigte die Regierung Baldwin aus dem Jahr 1935 der Feigheit, während im Keller gleichzeitig jemand etwas von einer bella bella carissima grölte. Lockhart schüttelte den Kopf.
»Kommen Sie nach unten und nehmen Sie einen Drink«, schlug er vor. »Großvater ist in merkwürdiger Verfassung.«
Das gleiche traf zweifellos auf Dr. Magrew zu. Bei dem Versuch, Mr. Dodd und den Präparator zu trennen, hatte sich Lockhart, gelinde gesagt, mit Blut besudelt, und daß in einer Kaffeetasse auf dem Tablett etwas lag, was, wie Dr. Magrew aufgrund seiner Erfahrung geschworen hätte, ein Wurmfortsatz des menschlichen Blinddarms war, den Mr. Taglioni dort zerstreut hatte fallenlassen, führte dazu, daß der Arzt dringend einen Drink brauchte. Er stolperte ungeduldig die Stufen hoch und goß sich kurz darauf becherweise Mr. Dodds nach Spezialrezept destillierten
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