Familienkonferenz in der Praxis
nicht … Dann stellte ich fest, dass er auch sonst kaum jemals auf meine direkten Fragen antwortete. Es war für mich als Lehrerin sehr frustrierend, ein Kind zu haben, das den Mund hielt, wenn man es etwas fragte … Dann entdeckte ich, dass meine Gewohnheit, Timmy direkt zu befragen, ihn in eine sehr verletzliche Position brachte. Er verabscheute es, unrecht zu haben. Statt also eine Frage falsch zu beantworten, zog er es vor, überhaupt nicht zu reagieren. Eine Woche lang achtete ich auf mich und bemerkte die Schärfe in meiner Stimme. Es war eine beschämende Entdeckung. Die entschiedene Objektivität und anklägerische Pose, die im Unterricht so gut funktionierte, erdrückte meinen zarten fünfjährigen Jungen. Er konnte sich nur durch Schweigen wehren. Dann stellte ich allmählich fest, dass ich in freundlicherem Ton Antworten hervorlocken konnte. Wenn ich geduldig war und sorgfältig zuhörte, konnte ich am Ende in Erfahrung bringen, was er über den Tag im Kindergarten dachte … Nach und nach gewährte er mir Einblick in sein Innenleben.«
Diese drei Eltern entdeckten jeder für sich ein wichtiges Prinzip zwischenmenschlicher Beziehungen: Wenn jemand sich bedrückt fühlt, nützt es selten, in ihn zu dringen, zu moralisieren, Vorträge zu halten oder zu trösten. Viel eher werden diese Botschaften ebenso wie die anderen Kommunikationssperren den Versuch zur Problemlösung unterbinden.
Neue Erkenntnisse hinsichtlich der zwölf Kommunikationssperren
Die Erfahrung hat uns gezeigt, auf welche Schwierigkeiten die Eltern im Zusammenhang mit den Kommunikationssperren stoßen. Einige meinen nach Beendigung des Kurses, sie dürften nie wieder eine Frage stellen, nie wieder Informationen liefern, Lösungen anbieten, etwas befehlen oder einen Scherz mit ihren Kindern machen. Andere können einfach nicht glauben, dass sich bestimmte Sperren wirklich als Hemmnisse auswirken – Fragen zum Beispiel. Andere können sich von der falschen Vorstellung nicht trennen, dass jemand, der mit einem Problem zu tun hat, es immer begrüßen wird, wenn man ihm eine Lösung anbietet.
Manchmal sind die Kommunikationssperren keine Sperren
Wir haben den Eltern nicht immer deutlich genug klargemacht, dass die Kommunikationssperren nicht notwendig die Kommunikation unterbinden, das Kind abwerten oder die Beziehung negativ beeinflussen. In unserem Eifer, die Eltern dazu zu bringen, keine Kommunikationssperren mehr zu senden, wenn die Kinder Probleme besitzen, haben wir als Kursleiter wahrscheinlich ohne unser Wissen eine puristische Position bezogen: Die Eltern gewannen den Eindruck, dass sie fortan niemals wieder jene zwölf Antwortkategorien benutzen durften, die wir Kommunikationssperren nennen. Nichts könnte falscher sein. Zuallererst ist dies völlig unmöglich! Niemand von uns ist vollkommen. Selbst in Situationen, in denen die Sperren mit großer Wahrscheinlichkeit die Kommunikation unterbinden oder sich negativ auf die Beziehung auswirken, werden alle Eltern manchmal den Fehler machen, eine Sperre zu senden. Ich weiß jedenfalls von mir, dass es mir passiert. Wenn ich höre, dass meine Tochter sich über irgendein Problem beklagt, das sie in der Schule oder mit einem Freund hat, ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich aufgeblasen meine Weisheit an den Mann bringen möchte, wie ich mit einem Rat herausplatze oder ihr eine Gratislösung
für ihr Problem liefere. Glücklicherweise weist sie bei solchen Gelegenheiten meinen Rat meist zurück. Unsere Beziehung scheint unter meinen Übergriffen kaum zu leiden.
Ich bin sicher, dass auch andere Eltern, selbst wenn sie die besten Absichten haben, gelegentlich solche Kommunikationssperren senden – ohne dass sich daraus schwer wiegende Folgen ergeben. Das entscheidende Wort ist »gelegentlich«. Wenn Eltern gelernt haben, die Kommunikationssperren in den meisten Situationen zu vermeiden, in denen ihre Kinder in ihrem eigenen Leben auf Probleme stoßen, wird ein gelegentlicher Ausrutscher ihre Beziehung nicht beeinträchtigen. Außerdem haben wir nicht deutlich genug gemacht, dass die Kommunikationssperren vom Kind häufig nicht als Verständigungsschwierigkeit empfunden werden. Dies ist der Fall, wenn weder das Kind noch der Elternteil mit einem Problem zu tun haben – wenn das Verhalten des Kindes weder für dieses selbst noch für den Elternteil problematisch ist. Der Leser wird sich erinnern, dass wir solche Verhaltensweisen in der problemfreien Zone des rechteckigen Fensters (
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