Familienkonferenz in der Praxis
ihren Spielzeugtieren versucht sie es nicht. So glaube ich, dass sie wahrscheinlich unser Verhalten den Katzen gegenüber nachahmt, wenn wir ihnen sagen, was sie tun sollen: »Hinlegen!« »Nein!« Ich vermute, sie mag sie ebenso gern wie wir. Es ist interessant, wie rasch Verhaltensweisen und Einstellungen übernommen werden und welche Wirkung wir als Verhaltensmodelle auf das Kind ausüben.
29. Januar: Ich empfinde es jetzt nicht mehr als gemein, deutlich zu sagen, was ich nicht akzeptiere, oder für meine Rechte einzutreten. Ich denke, ich hatte Angst, mich mit Alices negativen Reaktionen zu befassen. Ich hatte Angst, ihr die Erfahrung von negativen Gefühlen und von Frustrationen zu gestatten. Ich glaube, sie besitzt (wie in allen Dingen, so auch hier) eine enorme Fähigkeit, Frustrationen zu entwickeln. Sie ist aber auch sehr gut in der Lage, selbst mit ihnen fertigzuwerden, wenn ich sie wissen lasse, was ich mag oder was ich ertragen kann und
was nicht. Die Situationen geraten nicht aus der Kontrolle, wenn ich sie sofort wissen lasse, wie ich zu ihnen stehe. Sie lässt uns stets sofort wissen, wie sie zu etwas steht, aber ich denke, ich habe dazu geneigt, mit meinen Gefühlen so lange wie möglich hinter dem Berg zu halten! Ich wäre besser ihr gegenüber genauso ehrlich gewesen wie sie mir gegenüber.
30. Januar: Ich finde großen Gefallen an der Vorstellung, in der Kindererziehung und in meinen Beziehungen zu anderen auf alle Macht zu verzichten. Mir gefällt es nicht, von meiner Macht Gebrauch zu machen. Es ist eine aufregende Idee, dass es möglich sein soll, ganz auf sie zu verzichten!
2. Februar: Offensichtlich haben wir häufig Problemlösungstechniken angewendet, ohne dass es uns bewusst war. Das waren die Male, da die Konflikte in der für uns alle befriedigendsten Weise bewältigt wurden! Beispielsweise schreibe ich dies hier im Badezimmer, während Alice badet. Sie badet gerne zwei- oder dreimal am Tag! Mir gefällt es nicht, sie so oft zu baden. So haben wir eine Lösung entwickelt, mit der wir beide zufrieden sind. Sie geht zum Spielen in die Badewanne, häufig ohne dass sie gewaschen wird, während ich dabeisitze und ein Buch lese – oder tue, wozu immer ich Lust habe. Das ist mir durchaus nicht immer möglich, wenn sie sich anders beschäftigt. Die Lösung ist für uns beide sehr akzeptabel.
3. Februar: Eine andere Konfliktbewältigung, die funktioniert. Ich bin überrascht, weil ich dachte, dass die Methode III sich auf ein zweijähriges Kind nicht besonders gut anwenden ließe. Aber zu meiner Verwunderung und meinem Entzücken geht es! Es bedarf einiger Fantasie, um auf Lösungen zu verfallen, die ihr und mir gleichermaßen genehm sind. Häufig kommt man aber durch einen Ausleseprozess und etwas Einfallsreichtum zu befriedigenden Ergebnissen! Alice wachte heute um vier Uhr nachts auf und wollte in unserem Bett weiterschlafen (das hat sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr verlangt). Ich teilte ihr
(nach einigem aktiven Zuhören) mit, dass ich das nicht akzeptieren könne, dass ich nicht schlafen könne, wenn sie bei mir im Bett liege, und dass ich meinen Schlaf wirklich brauche, um am Tage meinen Pflichten nachkommen zu können. Mit ihrer Flasche voller Wasser war sie nicht zufrieden, auch nicht damit, dass ich ihr etwas vorsang, aber sie war durchaus bereit, in ihrem Bett zu bleiben, wenn ich ihre Hand hielt und ihr einige Minuten etwas vorsang! Wie viel angenehmer, als wenn ich ihr erstes Ansinnen einfach abgeschlagen und sie weinend zurückgelassen hätte oder wenn ich nachgegeben und eine schlaflose Nacht verbracht hätte!
4. Februar: Ein interessanter Vorfall heute. Ein Beispiel für das, was letzte Woche im Kurs dran war: »Beziehungen sind unter Umständen nicht so zerbrechlich, wie wir meinen.« Es war im Zusammensein mit meinem Mann und meiner Schwiegermutter ( sie war die eigentliche Versuchsperson). Ich machte den beiden deutlich, wie wenig es mir passte, dass ich unbedingt an einem Spiel teilnehmen sollte, mit dem sie gerade beschäftigt waren: Sie vergnügten sich damit, sich auszumalen, dass ich eine Erholungsreise unternähme. Ihr Verhalten fiel mir wirklich auf die Nerven (mein Toleranzniveau war nahezu auf dem Nullpunkt). Schließlich raffte ich mich dazu auf, ihnen das mittels der besten »Ich-Botschaft« mitzuteilen, auf die ich im Moment kommen konnte. Sie begriffen, dass ich mich durch ihr Verhalten wirklich stark gestört fühlte, und stellten es ein. Ich
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