Familienkonferenz in der Praxis
zu verstehen, wie ihm angesichts seiner Probleme zumute ist. Ich schätze es, weil ich besser verstehen kann, wie er zu bestimmten Dingen steht. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich die Probleme an seiner Statt lösen müsste – was ich ohnehin nicht kann! Wir sind uns aber auch bewusst, dass wir eine Kommunikationsweise verwenden, die recht merkwürdig ist. Die Tatsache aber, dass wir wissen, wir verwenden sie, weil wir einander besser verstehen wollen, hilft uns darüber hinweg. Ich denke, dass wir uns des Verfahrens nicht mehr so bewusst sein werden, wenn wir unsere Techniken verbessern und vertrauter mit ihnen werden. Ich hoffe es!
Ich stelle auch fest, dass ich es den Menschen manchmal sehr übel nehme, dass sie mich meine Probleme nicht selbst lösen lassen, wenn von ihnen die Rede ist! Heute mag ich es nicht mehr, wenn man mir Vorschriften macht, Predigten hält, Lösungen vorschlägt (ausgenommen manchmal!), mich kritisiert, analysiert und tröstet. Ich finde, dass die anderen sich damit in meine Angelegenheiten mischen. Was ich begrüßen würde, wäre aktives Zuhören! ! ! Selten wird mir der Luxus zuteil, dass man mir mit aktivem Zuhören begegnet. Dieses Bewusstsein wird mich hoffentlich darin bestärken, ein ähnliches »Nicht-Zuhören«
anderen gegenüber zu vermeiden. Wahrscheinlich wissen sie es ebenso wie ich zu schätzen, wenn man ihnen zuhört.
22. Januar: Aktives Zuhören erfordert die ganze Aufmerksamkeit des Zuhörers. Sowohl Alice wie auch John reagieren positiv auf mein Bemühen, wenn – und nur wenn – ich ihnen meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenke. Man kann nicht abwaschen und aktiv zuhören – nicht sehr gut! Ich glaube, die anderen haben das Gefühl, dass man ihnen das Gesicht zuwenden, sie ansehen müsse, wenn man ihnen wirklich zuhören und sich um sie kümmern will. Sie haben recht damit!
24. Januar: Ich glaube, ich bekomme ein Empfinden dafür, ob bestimmte Situationen für das aktive Zuhören geeignet sind oder nicht. Ich glaube, manchmal habe ich den Fehler begangen, nicht aktiv zuzuhören, wenn jemand ein Problem hatte. Wir sind dann nicht zum Kern der Dinge gekommen. Andererseits sehe ich heute ein, dass es besser ist, auf das Zuhören zu verzichten, wenn mir nicht danach zumute ist. Das geht in Ordnung! Heute schüttete mir eine Nachbarin ihr Herz aus. Ich dachte: »Das ist eine gute Gelegenheit zum aktiven Zuhören.« Dann merkte ich aber, dass ich nicht bereit war, sie zu akzeptieren – sie reizte mich heute einfach. So kam ich zu dem Schluss, dass die Situation doch nicht geeignet sei, dass mein aktives Zuhören bloße Heuchelei gewesen wäre. Beim aktiven Zuhören Erwachsenen gegenüber stört mich der Umstand, dass ich mir so sehr bewusst bin, es anzuwenden. Ich habe dann Angst, damit fortzufahren, weil der Sender es unter Umständen merkt und glaubt, ich probiere irgendeine »Methode« an ihm aus. Ich glaube, diese Befangenheit wird sich geben, wenn ich geschickter werde und sichergehen kann, meine alten Reaktionsweisen abgelegt zu haben. Was den Sender angeht, da bin ich weit ehrlicher als früher daran interessiert, ihm zu helfen.
26. Januar: Alice scheint auf meine »Ich-Botschaften« zu reagieren (bzw. ihr nicht akzeptables Verhalten in gewissem Maße zu verändern). Wenn sie sich meinen Gefühlen gegenübersieht, scheint sie sich nicht
streiten zu wollen. Irgendwie versteht sie, dass ich ihr nicht sage, was sie tun soll oder was sie nicht tun soll, sondern dass ihr Verhalten mir nicht gefällt oder mich bedrückt. Sie kann es ganz nach Belieben verändern, wenn es ihr beliebt. Sie braucht sich nicht zu wehren oder sich zu rächen. Ich glaube, das gefällt ihr. Ein Beispiel (Alice spielte in der Badewanne):
Ich: Es gefällt mir ganz und gar nicht, dass du das Wasser aus deinem Becher auf den Fußboden schüttest. Ich muss den Boden nämlich wieder aufwischen. Ich bin es müde, es immer und immer wieder zu tun. (Alice setzt den Becher auf den gegenüberliegenden Rand der Badewanne, von wo aus kein Wasser auf den Boden schwappen kann.) Beide sind wir zufrieden!
28. Januar: Mir fällt auf, dass Alice den Katzen ständig Befehle erteilt! Selbst den Bildern von Katzen! Ich frage mich, ob sie sich ihnen gegenüber so verhält, weil ich sie bevormunde oder weil ich und andere Erwachsene Katzen ständig Befehle erteilen. Anderen Tieren und Menschen gegenüber verhält sie sich ganz anders (sie stellt zwar Forderungen, aber bevormundet sie nicht!). Auch bei
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