Familienkonferenz in der Praxis
war mir bewusst, dass ich eine Seite meines Selbst offenbarte, die ich nicht besonders mag und von der ich annehme, dass andere sie ebenso wenig mögen (das heißt, meist bin ich viel zu ernst, statt mich etwas großzügiger und unbekümmerter zu geben). Aber es wurde ohne große Aufregung akzeptiert. Mein Himmel! Ich war wirklich erleichtert und darüber erfreut, dass ich das Risiko eingegangen war, eine »Ich-Botschaft« zu senden. Ich freute mich, dass sie so gut aufgenommen worden war.
5. Februar: Auch heute geschah etwas Interessantes. Nach dem Abendessen bei meinen Eltern war Alice müde und hatte schlechte Laune. Wir
warteten darauf, dass »Papa« seinen Kaffee austrank, damit wir nach Hause gehen konnten. Alice fordert »Großvater« auf, ihr etwas Orangensaft zu geben. Dann wurde sie aber ganz schön ärgerlich, als er ihn in die Tasse goss. Er verstand nicht, was sie hatte. Ich übersetzte ihm also, was Alice ihm zu verstehen geben wollte. Sie wollte aus der großen Saftdose trinken, nicht aus ihrer Tasse (sie sieht das zu Hause manchmal bei Mama so)! Großvater sagte »Nein.« Alice sagte »Ja!« Dann warf sie sich auf den Boden und weinte. Er nannte sie verzogen und meinte zu mir, dass ich besser jetzt etwas in ihrer Erziehung unternehmen solle, bevor es zu spät sei! Ich wandte mich Alice zu, die immer noch auf dem Fußboden lag und ihre Show abzog, und sagte: »Du bist wirklich wütend, dass Großvater dich nicht aus der großen Dose trinken lässt!«
»Ja … Alice … groß jetzt!«, weinte sie.
»Du bist groß genug, um jetzt aus der großen Dose trinken zu können«, sagte ich.
»Ja ! ! !« Damit hörte sie zu weinen auf, stand vom Fußboden auf und sagte: »Nacht! Hause gehen!« Ich wandte mich meinem Vater zu und fragte ihn, ob es noch irgendein Problem gäbe. Während meiner Unterhaltung mit Alice hatte er sich nämlich weiter darüber ausgelassen, dass nun etwas »geschehen« müsse, da sie nicht aufhöre! Er hatte gar nicht bemerkt, was passiert war. Er gab aber zu, dass es offenbar kein Problem mehr gab. Ich war überrascht, dass ihm nicht bewusst zu sein schien, wie rasch das Problem beigelegt worden war (ich wusste nur zu gut, wie schnell solche Vorfälle sich zu Riesenauftritten auswachsen können). Er hat auch nicht bemerkt, dass Alice einen ganz wichtigen Aspekt des Problems angesprochen hatte: dass sie jetzt ins Bett wollte!
10. Februar: In letzter Zeit habe ich große Schwierigkeiten, Alice in der Obhut anderer zu lassen. Sie wird bei meinem Fortgehen so aufgeregt, dass der Babysitter – ganz gleichgültig, um wen es sich handelt – vor einer schweren Aufgabe steht. Auch mich macht das sehr bekümmert. Aktives Zuhören und »Ich-Botschaften« scheinen an dem Problem nichts ändern zu können. Mit der Problemlösung komme ich
nicht von der Stelle. So habe ich schließlich herauszufinden versucht, warum ich so wütend darüber werde. Mir wurde bewusst, dass ich mich wirklich ängstlich, nervös und unsicher fühle. Dies bleibt Alice offensichtlich nicht verborgen – und dadurch verschärft sich das Problem: Sie sieht, wie ängstlich ich darüber bin, dass ich sie verlasse, und das verstärkt ihre Angst (es muss irgendetwas Schreckliches an diesem Fortgehen von Mama sein). Deshalb haben alle Mittel versagt.
Warum bin ich in diesem Punkte so nervös? Ich glaube, es hat viel mit meinem Wunsch zu tun, eine vollkommene Mutter zu sein. Wohl ein etwas wirklichkeitsfremdes Ziel. Aber eines, das mir sehr selbstverständlich erschien. Bin ich wirklich so unentbehrlich in ihrem Leben, dass sie einige dieser Dinge nicht selbst bewältigen kann? Offensichtlich bin ich für sie als Mutter noch sehr wichtig. Kann ich über meinen Schatten springen und ihr jene Unabhängigkeit einräumen und sie zu der Selbstverantwortlichkeit ermutigen, von denen ich behaupte, dass ich sie wirklich für sie wünsche?
Etwas anderes: Warum habe ich manchmal das Gefühl, ich sollte sie allein lassen? Damit meine ich jene Momente, da ich sie allein lasse in der Meinung, sie brauche das – sie brauche Zeiten, in denen sie meiner Gegenwart entzogen ist. Meine eigenen Bedürfnisse könnte ich nicht so genau definieren. Warum soll sie dann für bestimmte Zeiten meiner Gegenwart entzogen sein, wenn sie das nicht mag? Stehe ich da unter Druck? Möchte ich anderen zeigen, dass ich in der Lage bin, sie allein zu lassen, selbst wenn ich gar nicht das Bedürfnis habe, allein zu sein? Ist es irgendeine Vorstellung, die
Weitere Kostenlose Bücher