Familienkonferenz in der Praxis
sprachen sich rückhaltlos über den Kummer und die Freude aus, die das Leben mit einer unheilbaren Krankheit beschert. Es sieht so aus, als werde man aufgrund dieser Konferenz bald ein wichtiges Forschungsprojekt in die Wege leiten.
Vor kurzem hielt ich eine Rede bei einer internen Fortbildungsveranstaltung, die von einer der örtlichen sozialen Institutionen veranstaltet wurde.
Ich berichtete den Mitarbeitern von einigen der Gefühle, die die Eltern der an Mukoviszidose leidenden Kinder mir geschildert hatten:
»Sehen Sie«, sagte ich, »meistens sagen sie, dass sie traurig, ärgerlich und müde sind. Sie möchten wissen, ob das, was sie tun, richtig ist. Jedermann
versucht unablässig, ihnen eine Unzahl neuer Probleme zu bescheren und ihnen dutzende unterschiedlicher Antworten zu geben.«
»Warum haben Sie uns das noch niemals vorher gesagt?«, fragte der Direktor.
»Weil ich das vor der ›Familienkonferenz‹ selber noch nicht wusste«, antwortete ich.
Als Mark das letzte Mal im Krankenhaus war, gab ich dem Kaplan, der gerade zu Besuch war, meine Geschäftskarte. Er las sie langsam und laut und sagte dann: »›Familienkonferenz‹. Funktioniert die Methode wirklich?«
»Es ist genau dasselbe wie mit Ihrer Arbeit«, erwiderte ich. »Wenn Sie an sie glauben und sie praktizieren, funktioniert sie. Vielleicht bewegt sie nicht immer Berge, aber sicherlich hilft sie viele Brücken bauen.«
Jenseits aller Techniken: Tagebuch einer Mutter
Damals wurde Alice geboren. Es ist gerade zwei Jahre her. Weder Joe noch ich wussten das Geringste über Kinder. Wir hatten große Angst, etwas »falsch« zu machen – nicht auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Wir wollten ihr den bestmöglichen Start ins Leben bieten, vor allem in emotionaler Hinsicht. Häufig opferten wir dafür unsere eigenen Interessen und Bedürfnisse, nur damit sie es möglichst gut hatte. Wir wussten nicht, was das Beste für sie war.
Als Alice 18 Monate war, brachte ich sie zur Routineuntersuchung zum Kinderarzt. Ich fragte ihn, ob er ein Buch wüsste, dessen Lektüre mir dabei helfen könnte, mit dem »Trotzalter« fertigzuwerden. Der Arzt schlug Familienkonferenz von Thomas Gordon vor. Ich verschlang das Buch von der ersten bis zu letzten Seite! Die Konzepte leuchteten mir sofort ein. Ich war überzeugt, dass dieses Buch für mich geschrieben sei und dass jeder es lesen sollte, der mit Kindern zu tun hat – oder auch nicht mit ihnen zu tun hat.
Aber so überzeugt ich auch von der Brauchbarkeit der Techniken war, machte es mir doch Schwierigkeiten, sie zu verwirklichen (uns fehlte es am Geld, an einem ›Familienkonferenz‹-Kurs teilzunehmen).
Eines Tages war ich zutiefst erschrocken, als ich mich dabei ertappte, wie ich Alice anschrie und ihr damit drohte, sie zu schlagen. Da sah ich mich einem Aspekt meines Selbst gegenüber, der nur sehr selten an die Oberfläche tritt. Ich war mir bewusst, dass das, was sie getan hatte, meinen Ärger nicht verdiente. Es war mein Problem, und es war ein Teil meines Selbst, den ich nicht mochte. Ich wollte nicht, dass Alice leiden musste, nur weil ich nicht fähig war, mit einem alltäglichen Konflikt fertigzuwerden. Kurz darauf erfuhr ich, dass die Universität von Kalifornien einen ›Familienkonferenz‹-Fernlehrgang anbot. Meine Mutter finanzierte die Teilnahme. Vielleicht würde ich mit ein wenig Hilfe und fortgesetztem Bemühen die ›Familienkonferenz‹-Techniken anwenden können. Es folgt das Tagebuch, das ich während des neunwöchigen Kurses führte: welche Gedanken ich dabei hatte, welchen Schwierigkeiten ich begegnete und welchen Spaß ich daran hatte, die Techniken zu erlernen:
11. Januar: (Folgendes sei angemerkt: Alice wird am 15.1. zwei Jahre alt. Ihre Sprachentwicklung ist nicht abgeschlossen – im Wesentlichen behilft sie sich mit Substantiven. Derzeit ist sie noch Einzelkind.) Alice wacht weinend aus ihrem Mittagsschlaf auf. Sie sieht erschreckt aus. Ich gehe in ihr Zimmer, um zu sehen, was ihr fehlt:
Mutter : Hast du einen schlimmen Traum gehabt?
Alice : Ja … Bert … Ernie!
M : Du hast von Ernie und Bert geträumt? (Puppen aus der Sesamstraße)
A : Ja. (Weint heftiger)
M : Sie machen dir Angst?
A : Ja. (Das Weinen legt sich langsam.)
Später, als sie ganz wach ist:
M : Der Traum hat dir Angst gemacht.
A : Ja, Ernie!
M : Weißt du, Träume sind keine Wirklichkeit. (Ich weiß nicht, wie ich es ihr erklären soll.)
A : Spielzeug!
M : Spielzeug?
A : Ja!
Da erinnere ich
Weitere Kostenlose Bücher