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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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manchmal danach frage, was in der Schule passiert ist, wollen sie es mir nicht erzählen. Ich bin bereit zuzuhören, aber sie sind einfach nicht bereit zu erzählen.«
    »Sie saß zusammengekauert und schlecht gelaunt da. Ich sagte: ›Sehr glücklich siehst du nicht aus.‹ Sie erwiderte: ›Das bin ich auch nicht, und ich habe auch keine Lust, mit dir zu reden.‹ Daraufhin meinte ich: ›Du möchtest wirklich nicht mit mir reden?‹ Ihre Antwort: ›Nein.‹«

    Ein Vater beschrieb die frustrierende Begegnung mit seiner zwölfjährigen Tochter:

    K : Ich hasse dich!
    V : Ich glaube, im Moment hasst du mich richtig.
    K : Und ob! Ich weiß nicht, warum ich all deine schlechten Charaktereigenschaften habe erben müssen.
    V : Darüber bist du enttäuscht, nicht wahr?
    K : Ich will nicht mit dir reden.

    Eltern sollten sich nicht entmutigen lassen, wenn ihre Kinder manchmal nicht dazu aufgelegt sind, mit ihnen zu sprechen. »Man kann ein Pferd zur Tränke führen, man kann es aber nicht dazu zwingen, zu trinken« ist eine Lehre, die für Kinder und ihre Bereitschaft zu sprechen gleichermaßen gilt. Es gibt kein sicheres Verfahren, Kinder zum Sprechen zu bringen. Ganz gewiss erfüllt aktives Zuhören diese Aufgabe nicht. Es ist aber die beste Technik, die ich kenne, um Kommunikation
zu erleichtern, vorausgesetzt, beim Kind liegt ein entsprechendes Bedürfnis vor.
    Aktives Zuhören ist sogar nicht immer die beste Art, ein Kind zum Sprechen zu bringen. Einfache Türöffner oder Aufforderungen sind besser dazu geeignet:
    Magst du erzählen, was in der Schule passiert ist?
    Magst du über das sprechen, was dich zu bedrücken scheint?
    Glaubst du, es hilft, wenn du über das sprichst, was dich in Harnisch bringt?
    Sobald ein Kind aber die Einladung angenommen hat, sobald es seine Erlebnisse oder Empfindungen mitteilt, sobald es also zu sprechen begonnen hat, ist aktives Zuhören das beste Verfahren, es wissen zu lassen, dass es verstanden wird und dass seine Empfindungen akzeptiert werden. Aktives Zuhören ist also eine effektive Methode, um die Kommunikation mit einem Kind in Gang zu halten, wenn es erst einmal begonnen hat, einem sein Problem mitzuteilen. Die Eltern sollten aber jederzeit darauf vorbereitet sein, dass manche Kinder die Kommunikation plötzlich abbrechen.
    Außerdem gilt es, einen wichtigen Unterschied zu beachten. Das aktive Zuhören hat eine ganz andere Bedeutung, wenn das Kind das Bedürfnis hat zu sprechen, als wenn der Elternteil das Bedürfnis hat, mit dem Kind zu sprechen. In der zweiten Situation wird das aktive Zuhören nur selten von Nutzen sein.
    Dieser Fall liegt im ersten Beispiel vor, das wir oben anführten. Dort scheint nämlich die Mutter von ihrem Bedürfnis zu sprechen. Sie möchte das Kind dazu bringen, über die Schule zu sprechen. Erinnern wir uns ihrer Worte:

    »Manchmal stelle ich ihnen eine Frage über das, was in der Schule passiert ist, dann wollen sie es mir einfach nicht sagen.«

    Ganz offensichtlich möchte die Mutter, dass ihre Kinder mehr erzählen, als es ihrer Gewohnheit entspricht. Die Bereitschaft von Kindern,
sich mit ihren Eltern zu unterhalten, hängt vom Vertrauen ab, das sie zu ihnen haben. Sie müssen sicher sein, dass ihre Mitteilungen ohne Kritik, selbstgerechte Entrüstung, Tadel oder Drohung aufgenommen werden. Manchmal liegt dieses Vertrauen anfangs nicht vor, wie die folgende Äußerung einer Mutter zeigt:

    »Sie wusste, dass ich an einem Kurs teilnahm und versuchte, eine bessere Mutter zu werden. Aber es fehlte ihr wohl am rechten Vertrauen, weil ich damals – und das geht mir auch heute noch so – immer wieder in den Fehler verfiel, die Autorität herauszukehren … Eine Zeitlang fasste ich sie hart an, das ließ ich aber sein, als sie dazu überging, den Mund ganz und gar zu halten. Nach einer Weile versuchte ich es dann mit aktivem Zuhören. Da merkte ich, dass sie mir wirklich vertraute. Ich meine, ich war ehrlich, und ich denke, sie nahm es mir ab. Allmählich wurde sie aufgeschlossener …«

    Eltern vergessen oft, dass auch Kinder das Bedürfnis nach einer Privatsphäre haben. Manchmal möchten sie die Eltern eben nicht wissen lassen, was in ihrem Inneren vorgeht. So berichtet eine Mutter nach neun Jahren Erfahrung mit der ›Familienkonferenz‹:

    »Sie kam aus dem Kindergarten, und ich war glücklich, sie zu sehen. Ich wollte wissen, was passiert war. Sie kann aber sehr verschlossen sein und sagte: ›Nichts.‹ Aber ich drang immer weiter in

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