Familienkonferenz in der Praxis
sie, wissen Sie … Mein Mann verschließt seine Gefühle sehr, und ich versuchte, die Mauern zu überwinden, weil er so viel für sich behält und nichts mitteilt. Nun kam Leah aus dem Kindergarten nach Hause, und ich sah nichts Schlimmes darin, sie nach ihren Erlebnissen zu fragen – wie sollte ich auch wissen, dass es sich um äußerst private Gefühle handelt? Mein Mann ist jetzt viel aufgeschlossener, aber Leah hat immer noch die Neigung, wenig über ihr Leben mitzuteilen … Ich begreife jetzt, dass sie ganz anders geartet ist – dass sie eine andere Form der Beziehung sucht. Ich denke, ich habe mich mit der Tatsache abgefunden, dass ich sie nicht ändern kann.«
Kinder unterscheiden sich nicht von Erwachsenen – manchmal ist ihnen nicht danach zumute, zu reden. Sie wehren sich häufig gegen zudringliche Fragen, sie reden nicht, bevor sie nicht sicher sind, dass man akzeptieren wird, was sie sagen, und manchmal möchten sie, dass man ihre Privatsphäre respektiert.
Man muss in der richtigen Stimmung zum Zuhören sein
Manche Eltern gewinnen im Kurs die irrige Vorstellung, dass sie nun, da sie das aktive Zuhören gelernt hätten, verpflichtet seien, immer zur Verfügung zu stehen, unter allen Umständen ihren Kinder zuhören zu müssen, wenn diese ein Problem haben. Erst wenn sie feststellen, wie oft sie dazu nicht in der Stimmung sind, werden die Erwartungen realistischer, die sie an das aktive Zuhören stellen. Dann akzeptieren sie die Tatsache, dass man nicht zuhören kann, wenn einem nicht danach zumute ist. Eltern haben nicht immer die nötige Zeit, wie sich in den folgenden Auszügen zeigt:
»Unter Umständen habe ich noch nicht einmal die fünf Minuten Ruhe, die zum aktiven Zuhören notwendig sind. Dann finden sie eigene Lösungen. Wissen Sie, ich erwarte einen Anruf des Arztes, der mir mitteilen will, was mir fehlt. In der Zwischenzeit koche ich, und ich erwarte in 15 Minuten Besuch … Und dann soll ich mir das Problem aktiv anhören? Dazu ist keine Zeit. Es ist sehr frustrierend …, wenn man dazu keine Zeit hat.«
»Nach einer langen Fahrt mit seinem Vater kam er gestern sehr ärgerlich nach Hause. Ich sagte ihm, er solle sich zu Tisch setzen, aber er hatte keine Lust dazu. Er sprang auf, sagte, er hätte einen anstrengenden Tag gehabt und fügte hinzu: ›Aber das kümmert ja niemanden!‹ Dann ging er hinaus. Ich erwartete Besuch und hatte einfach nicht die Zeit, herauszufinden, was ihn wirklich bedrückte …«
Solche Situationen kommen in den meisten Familien vor. Sie stellen Eltern vor eine schwierige Wahl: Sollen sie sich um ihre Bedürfnisse oder die des Kindes kümmern? Alle Eltern müssen im Prinzip selbst entscheiden, was in einer bestimmten Situation zu tun ist. Dennoch können Ihnen vielleicht einige Richtlinien dabei helfen:
Versuchen Sie vor Ihrer Entscheidung rasch abzuschätzen, wem mehr Schaden zugefügt wird – wessen Bedürfnisse am stärksten sind.
Versuchen Sie in irgendeiner Weise zu erledigen, was Sie vorhaben, und versuchen Sie trotzdem, dem Kind zuzuhören. (»Ich muss das Abendbrot vorbereiten, wie wär’s aber, wenn wir uns bei der Arbeit unterhalten?«)
Setzen Sie einen späteren Zeitpunkt für die Unterhaltung an, zu dem Sie nicht mehr beschäftigt sind. (»Ich würde dir gern zuhören, aber im Moment geht es nicht. Wie wäre es nach dem Abendessen?«)
Machen Sie deutlich, dass Sie die Gefühle des Kindes zur Kenntnis nehmen, und teilen Sie ihm dann mit, in welcher Verfassung Sie sind. (»Du bist wirklich ärgerlich und aufgebracht. Ich wünschte, ich hätte jetzt die Zeit, dir zuzuhören. Ich fürchte aber, dass ich zu spät zum Arzt komme.«)
Manchmal sind Eltern auch nicht in der Stimmung, aktiv zuzuhören – wenn sie nervös sind oder sich über eigene Probleme Sorgen machen. Einer anderen Person einfühlsam und genau zuzuhören verlangt eine sehr intensive – wirklich entrückte – Aufmerksamkeit. Eltern können einfach nicht mit der notwendigen Konzentration reagieren, wenn sie innerlich zu sehr mit ihren eigenen Empfindungen und Problemen beschäftigt sind. Eine Mutter beschrieb, dass es eine Zeit gab, da sie ihrer Tochter Jane einfach nicht zuhören mochte. Zu viel Groll hatte sich gegen das Kind angesammelt.
»Ich mochte ihr einfach nicht zuhören, wissen Sie. Ich kam mir vor wie ein Fußabtreter – ich war viel zu wütend auf sie. Ich hatte das Empfinden, ständig sei ich es, der geben müsse – und ich bekäme nichts dafür. Wissen Sie, ich
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