Familienkonferenz in der Praxis
übertreiben? Verständlicherweise versuchen einige, die vergeudete Zeit wiedergutzumachen:
»Allzu lange hatte ich die Kommunikation mit meinen Kindern durch Sperren behindert – nun hatte ich ein besseres Verfahren gefunden und konnte nicht abwarten, es auszuprobieren.«
Andere machten sich nicht klar, wie viel Zeit und Energie es kosten kann, zum Ratgeber der ihnen nahestehenden Menschen zu werden. Die Probleme können – besonders bei kleinen Kindern – unerschöpflich sein. Bei anderen Eltern war der Sachverhalt komplizierter. Eine Mutter kam beispielsweise zu einer überraschenden Erkenntnis, die erklärte, warum sie die Technik übertrieb:
»Wissen Sie, es kann sehr gefährlich sein, sich der Technik zu bedienen … Ich wurde geschickter, fähiger, den Leuten die Würmer aus der Nase zu ziehen. Meist gab ich nichts im Austausch dafür. Ich war eine Art frustrierter Therapeut. Ich hörte zu und hörte zu und hörte zu. Ich trieb Missbrauch damit. Wirklichen Missbrauch … Wissen Sie, ich benutzte es, um andere Menschen zu manipulieren.«
Andere Eltern bemerkten schließlich, dass sie aktives Zuhören jedes Mal verwendeten, auch wenn ihre Kinder ein noch so unbedeutendes Problem hatten:
»Ich denke, eines der Dinge, die man beim aktiven Zuhören beachten sollte, ist die Tatsache, dass es nur dann verwendet werden sollte, wenn die Wogen der Erregung wirklich hochgehen. Man sollte nicht
die Gewohnheit annehmen, es auch bei weniger wichtigen Anlässen zu praktizieren, da diese unter Umständen überhaupt keine Reaktion verlangen … Ich glaube, die Menschen, die das aktive Zuhören gelernt haben, neigen dazu, nach Hause zu kommen und es anfangs auch bei Problemen anzuwenden, bei denen gar kein Anlass dazu besteht, und dann frustriert sind. Ich habe Freunde, die es bei mir probieren. Ich sage irgendetwas Beiläufiges, und sie fangen mit aktivem Zuhören an. Ich durchschaue das zwar, aber ich empfinde es im Moment doch als sehr unpassend.«
Durch die Interviews wissen wir heute sehr viel besser, worauf wir zu achten haben, wenn wir den Eltern dieses wichtige Beratungsinstrument vermitteln wollen. Ganz sicher sollte es nicht blindlings und nicht zu häufig verwendet werden. Im Folgenden einige Richtlinien, die Ihnen helfen werden, diese Technik sinnvoll anzuwenden:
Nicht alle Probleme, die Kinder haben, sind ernst genug, um eine »Beratung« zu rechtfertigen. Wenn Ihr neunjähriger Junge sagt: »Die Butter ist so hart, dass ich sie nicht streichen kann, ohne dass das Brot zerbröckelt«, ist aktives Zuhören sicherlich unangebracht.
Kindern sieht man an, wenn sie vor einem ernsten Problem stehen. Achten sie auf Tränen, Rückzug, Schmollen, heftigen Ärger oder Furcht – oder sonstige deutliche Abweichungen von ihrem typischen Verhalten (gesprächige Kinder werden gewöhnlich still und nachdenklich).
Sondieren Sie zuerst, ob Ihr Kind wirklich einen Zuhörer wünscht. Versuchen Sie es einige Minuten lang mit passivem Zuhören (Schweigen). Oder bedienen Sie sich eines Türöffners wie zum Beispiel: »Möchtest du, dass wir darüber sprechen?«
Eine Mutter zweier halbwüchsiger Mädchen, die auch in der freiwilligen Jugendarbeit ihrer Gemeinde beschäftigt ist und eine zusätzliche Ausbildung in krisenorientiertem Zuhören hat, fand selbst heraus,
wann sie mit aktivem Zuhören am besten fährt: »Wenn man mit jemandem zu tun hat, der völlig entmutigt ist, einer schweren Belastung ausgesetzt ist oder ein Problem hat, spielt es keine Rolle, wie einfach die Antworten des aktiven Zuhörens ausfallen. Der andere wird sich nicht darum kümmern, weil sein Bedürfnis nach einem Zuhörer zu groß ist. Die elementarste Form des aktiven Zuhörens wird hier ausreichen … Das ist der Unterschied zwischen irgendeinem nebensächlichen und einem tiefer sitzenden Problem. Bei letzterem werden sich die Betroffenen nicht darum kümmern, wie gut man das aktive Zuhören beherrscht, solange sie das Empfinden haben, dass es ihnen dabei hilft, Ordnung in ihre Gefühle zu bringen …«
Zuhören ohne die Bereitschaft, das Gehörte zu akzeptieren, ist nutzlos
Man darf ziemlich sicher sein, dass aktives Zuhören nutzlos ist, wenn es dazu dienen soll, eine Verhaltensweise zu verändern, die der Elternteil nicht akzeptiert. Hier vergessen die Eltern, dass aktives Zuhören ja gerade mitteilen soll, dass ein Kind akzeptiert wird. Es soll die Bereitschaft signalisieren, die Auffassungen des Kindes anzuerkennen. Wenn Eltern aktives
Weitere Kostenlose Bücher