Familienkonferenz in der Praxis
dem Eingang zur Schule verzweifelt an ihre Mütter. Auch hier half aktives Zuhören wie im folgenden Beispiel:
»Im Januar hatte sie plötzlich keine Lust mehr, in die Schule zu gehen. Wir erörterten es im Kurs. Um jedoch die Wahrheit zu sagen, wussten
wir nicht so recht weiter … Sie war am Morgen wach geworden und hatte gesagt, sie fühle sich nicht recht wohl. Sie wollte zu Hause bleiben, damit die anderen Kinder sich nicht ansteckten … An einem anderen Tag klagte sie über Nackenschmerzen. Ich sagte ihr: ›Zieh dich erst einmal an, und ich bringe dich zur Schule. Und wenn du nicht bleiben willst, bringe ich dich nach Hause.‹ … Als die Kinder sich aufstellten, um in die Klasse zu gehen, sagte ich zu Joan, es sei Zeit hineinzugehen. Aber sie rief: ›Nein!‹ Dann brach sie in Tränen aus und lief zum Auto zurück. So nahm ich sie wieder mit nach Hause, war aber entschlossen, es mit aktivem Zuhören zu probieren. Ich sagte: ›Joan, ich habe den Eindruck, dass du die Schule wirklich nicht magst – du bist dort nicht glücklich.‹ Sie wiederholte fortwährend: Ich fühl mich nicht gut, ich fühl mich nicht gut.‹ Anfangs sagte sie nicht, was sie wirklich bekümmerte. Sie redete um den heißen Brei rum. Schließlich erzählte sie mir, dass sie in der Schule niemals eine Zuckerstange bekäme! Es stellte sich heraus, dass der Lehrer Zuckerstangen verteilte, wenn Kinder einen bestimmten Punktwert erreichten – es hatte mit den Leseleistungen zu tun. Es ging schon eine Reihe von Wochen so … Das war es, was sie bedrückte … Es sollte ein Ansporn sein. Joan arbeitete mit aller Kraft. Sie war die Jüngste in der Klasse und gehörte zu den Kindern, die im Test am besten abgeschnitten hatten. Sie hatte jedoch Wahrnehmungsprobleme. Deshalb war sie unter den zwei oder drei Kindern in der Klasse, die als Einzige Schwierigkeiten bei der Buchstabendiskrimination hatten … Sie hatte das Gefühl, schlecht zu sein, weil sie sich keine Zuckerstange verdiente.«
Joans Eltern sprachen sofort mit dem Lehrer und dem Schulpsychologen. Daraufhin kam Joan in eine andere Klasse. Die Mutter beendete das Interview mit den Worten: »Und dann ging alles glatt, weil sie im Klassendurchschnitt nicht mehr unten rangierte. Nach einem Monat war alles vorbei … Jetzt mag sie die Schule und zeigt wirklich gute Leistungen. Es ist alles in Ordnung!«
Dieselbe Mutter beschreibt, wie sie aktives Zuhören verwendete, um ihren vierjährigen Sohn zum Problem zu führen: »Ich passte auf ein anderes Kind auf, das mit Tim gut befreundet war. Nach kurzer Zeit zeigte
sich Tim dem Kind gegenüber sehr feindselig – ständig stritt er sich mit ihm. Anfangs machte ich Äußerungen wie: ›Mary mag es ganz und gar nicht, wenn du sie beschimpfst‹ oder ›Es tut Mary weh, wenn du sie schlägst‹ oder ›Ich mag nicht, wenn du andere Kinder schlägst‹.«
Diese Kommunikationssperren halfen Tim bei seinem Problem überhaupt nicht. Das dauerte einige Monate. Eines Tages zog Tim Mary an den Haaren. Seine Mutter hieß ihn, aus dem Zimmer zu gehen. Tim bekam einen regelrechten Wutanfall. »Den schlimmsten, den ich jemals an ihm beobachtet habe«, berichtete sie. Schließlich beruhigte sie ihn und sagte: »Hör endlich auf zu schreien und lass uns darüber reden.« Die Unterhaltung nahm dann folgenden Verlauf:
M : Du bist richtig wütend auf mich, Tim, nicht wahr?
T : Nein.
M : Hat Mary irgendetwas gemacht, was dich in Wut bringt?
T : Nein.
M : Du magst Mary nicht.
T : Nein.
M : Du denkst, Mama verbringt zu viel Zeit mit Mary.
T : Ja. Du liebst Mary mehr als mich!
M : Du denkst wirklich, dass ich Mary lieber mag – du meinst, sie bedeutet mir mehr als du, weil ich manchmal auf dich wütend werde und du niemals siehst, dass ich auf Mary ebenso wütend werde.
T : Ja.
Daraufhin erklärte die Mutter Tim, dass er für seinen Vater und sie etwas ganz Besonderes sei, weil er ihr Sohn sei, und dass seine Schwester etwas ganz Besonderes für sie sei, weil sie ihre Tochter sei, und dass Mary etwas ganz Besonderes für ihre Eltern sei, weil sie ihre Tochter sei. Daraufhin beruhigte sich Tim. Er begann die Namen aller seiner Freunde herzusagen, meinte, sie seien etwas ganz Besonderes für ihre Mütter und Väter, weil sie eben auch zu ihnen gehörten.
Kinder werden verantwortungsbewusst
Eines der schönsten Erlebnisse, die Eltern beim aktiven Zuhören zuteil werden können, ist, dass ihre Kinder verantwortungsbewusster werden. Einfühlendes
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