Familienkonferenz in der Praxis
Damit hatte es sich, wissen Sie. Statt mich gegen seinen Ärger zu wehren, benutzte ich die Technik der ›Familienkonferenz‹ und gab ihm Gelegenheit, sich Luft zu machen. Seine schlechte Laune verflüchtigte sich … Ich war zufrieden mit der Rolle, die ich in diesem Gespräch gespielt hatte, weil ich mich nicht aufgeregt hatte … Weil ich ein Mittel zur Verfügung gehabt und dem Jungen Gelegenheit gegeben hatte, sich Luft zu machen.«
Wie im Fall dieser Mutter ermöglicht aktives Zuhören also den Eltern, die ärgerlichen und feindseligen Gefühle abzubauen, die Kinder so häufig hegen, wenn sie nicht immer gleich das bekommen, was sie wollen. Eltern haben damit »ein Instrument« zur Hand, das sie anstelle der Kommunikationssperren verwenden können. Das Ergebnis ist in den meisten Fällen, dass das Kind seine Empfindungen frei äußern kann. Dabei verflüchtigen sie sich in der Regel.
Für ein Kind kann nichts erschreckender sein als die Aussicht, zum Zahnarzt zu müssen, wo es mit Sicherheit Schmerzen erleiden wird.
Im folgenden Beispiel scheint aktives Zuhören Phillip dabei zu helfen, sich in das Unvermeidliche zu schicken.
»Phillip brauchte eine Klammer. Als wir auf dem Weg zum Kieferorthopäden waren, sagte er, er habe Magenschmerzen. Das sich daran anschließende Gespräch nahm ungefähr den folgenden Verlauf:
M: Du bist nervös, weil du zum Kieferorthopäden musst.
P: Ja, ich mag da wirklich nicht hin.
M: Dir wäre es weiß Gott lieber, wenn du da nicht hinmüsstest.
P: Ja. Ich habe Angst, Spritzen zu bekommen wie beim Zahnarzt.
M: Oh, du hast Angst, dass er es wie der Zahnarzt machen und dir Spritzen geben wird, um dir die Klammer anzulegen.
P: Ja.
M: Nein, das glaube ich nicht. Aber es ist scheußlich, wenn man nicht weiß, was einen erwartet.
P: (erleichtert aussehend) Ja. Es ist scheußlich, wenn man nicht weiß, was einen erwartet … Ich kann Schmerz nun einmal nicht ausstehen. Ich habe wirklich Angst vor Schmerzen. Ich weiß, dass das falsch ist.
M: Mir war nicht klar, wie dir zumute ist. Ja, Schmerzen sind scheußlich, und fast alle Menschen haben Angst davor.
»Daraufhin ging er hinein und ließ die zweistündige Behandlung über sich ergehen. Jedes Mal, wenn wir jetzt zum Kieferorthopäden gehen, beklagt er sich noch ein wenig. Das wird aber von Mal zu Mal besser, und jetzt macht es ihm schon fast ein bisschen Spaß.«
»Ich mag Kinder nicht«
Eine unerwartete Wirkung, die sich bei der Verwendung des aktiven Zuhörens einstellt, ist zumindest für manche Eltern die Tatsache, dass sie ihre Kinder lieber gewinnen. Dieser Umstand erklärt sich vermutlich daraus, dass aktives Zuhören hilft, andere Menschen besser zu verstehen – man begreift eher, was in ihrem Innern vorgeht, wie sie wirklich sind. Wenn wir aber andere wirklich verstehen, werden wir kaum umhinkönnen, sie zu mögen:
»Ich konnte früher überhaupt keine Beziehung zu Kindern finden. Ich schloss sie aus. Nicht nur meine eigenen, sondern alle. Ich mochte keine Kinder. Das lag vermutlich daran, dass ich keine Beziehung zu ihnen fand – nicht wusste, wie ich mit ihnen sprechen oder wie ich ihnen zuhören sollte.«
Eine andere Mutter berichtete uns über ihre erste Erfahrung mit aktivem Zuhören. Sie fand heraus, dass ihr Sohn, der noch nicht zur Schule ging, »wirklich etwas zu sagen hatte«:
»Als er mir beim Abwaschen dauernd vor die Füße kam, nahm ich ihn hoch und setzte ihn auf das Bord. Er war entzückt, dass ich ihn mitten in das Geschirr hineinsetzte und mit ihm redete, während ich meine Arbeit weitermachte. Er spielte mit einem Ball, ließ Kaugummiblasen zerplatzen und redete mit mir. Dabei merkte ich, dass er mir durchaus etwas zu sagen hatte. Es war gar nicht so, als sei er nur ein Kind. Er erklärte mir, was es mit den Bildern, die er zeichnete, auf sich hatte, was mir viel Spaß machte … Oder er erzählte mir von seinen beiden Freunden, Billy und Charly, die hier in der Straße wohnen …«
Diese Mutter interessierte sich auf einmal für ihren Sohn. Ihr machte die Unterhaltung mit ihm wirklich Spaß, als habe sie es mit einem Erwachsenen zu tun. Ihre Einstellung ist noch bemerkenswerter, wenn man die Vorgeschichte kennt:
»Ich war schon so weit und wollte ihn zu einem Psychologen bringen, weil ich glaubte, irgendetwas stimme nicht mit ihm. Kein Kind hätte scheußlicher sein können! Das hat sich von Grund auf geändert. Unser aller Leben hat sich verändert.«
Das eigentliche
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