Familienkonferenz in der Praxis
lange danach sehr destruktiv auf das Kind auswirken. Eine gute Ich-Botschaft wird selten zu diesem zweiten Typus des Schuldgefühls führen, weil sie dem Kind nur mitteilt, welches Gefühl sein Verhalten Ihnen einflößt. Sie enthält aber kein Urteil über sein Verhalten. Dieser Unterschied ist für das Kind von großer Bedeutung.
Die Bedeutung des Umschaltens
Wir haben gehört, dass eine Ich-Botschaft – sie mag noch so gut sein – niemals willkommen ist. Wer möchte schon erfahren, dass sein Verhalten für jemanden nicht akzeptabel ist? Es ist nicht angenehm festzustellen, dass man eine geliebte Person vor ein Problem gestellt hat. So rufen selbst die besten Ich-Botschaften häufig Abwehrreaktionen beim Empfänger hervor. Dies trifft insbesondere auf Kinder zu. Sie ziehen es meist vor, das zu tun, was sie tun möchten. Sie möchten ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen, ohne von ihren Eltern Einwände zu hören. Eine Mutter formuliert das so:
»Sie möchten ihrer Beschäftigung ungestört nachgehen und kümmern sich nicht darum, wie man zu dem steht, was man selbst gerade tut oder was man tun muss … Sie kümmern sich ganz einfach nicht darum – sie erledigen ihren eigenen Kram.«
Kein Wunder, dass Eltern mit ihren Ich-Botschaften zum Beispiel auf Antworten wie diese stoßen:
»Ich will nicht.«
»Das geht dich nichts an.«
»Na und. Ich will es eben nicht.«
»So laut ist der Fernseher doch gar nicht.«
»Ich hab den Dreck gar nicht gemacht, das war Susan.«
»Das ist doch nicht meine Sache, wenn du verlegen bist.«
Wenn Sie Ihrem Kind eine Ich-Botschaft senden, schaffen Sie ihm dadurch ein Problem. Ihre Ich-Botschaft unterbricht es bei irgendeiner Tätigkeit, die seine Bedürfnisse befriedigen soll. Das Kind muss sich also mit Ihrer Ich-Botschaft befassen. In der ›Familienkonferenz‹ weisen wir darauf hin, wie wichtig es für Eltern ist, mit viel Feingefühl auf den Widerstand zu lauschen, dem ihre Ich-Botschaft begegnet. Wir nennen dies »Umschalten« – die Haltung der Konfrontation wird mit der des Zuhörens vertauscht. Sehen wir, wie die Mutter es im folgenden Beispiel macht:
M : Draußen ist es sehr kalt. Wenn du ohne deinen Mantel hinausgehst, wirst du vielleicht krank, und wir müssen den Doktor hinzuziehen und viel Geld ausgeben.
K : Nein! Ich werde nicht krank.
M : Du glaubst nicht, dass du krank wirst.
K : Nein.
Die Mutter berichtet, dass ihr Sohn unmittelbar nach diesem Gespräch zum Schrank ging und seinen Mantel nahm.
Das Umschalten führt nicht immer zu so raschen Ergebnissen. In vielen Fällen scheint es jedoch zu helfen, wenn Eltern die Reaktion ihrer Kinder auf eine Ich-Botschaft zur Kenntnis nehmen. Wir kommen hier zu einem Paradox: Es hat den Anschein, als ob Kinder es leichter fänden,
ihr Verhalten zu ändern, wenn sie das Gefühl haben, der Elternteil, mit dem sie zu tun haben, verstehe, wie schwer es ihnen fällt.
Dieser Gebrauch des aktiven Zuhörens unterscheidet sich von den Fällen, in denen es als Hilfe eingesetzt wird, wenn das Kind das Problem besitzt. Wenn Sie im Anschluss an eine Ich-Botschaft auf aktives Zuhören umschalten, wollen Sie nur die Abwehr des Kindes verringern, um Ihre eigenen Bedürfnisse besser befriedigen zu können. Diese Haltung ist nicht mit dem Wunsch zu verwechseln, dem Kind zu helfen!
Lösungsbotschaften sind keine Ich-Botschaften
Manche Eltern denken, sie senden Ich-Botschaften, obwohl sie den Kindern eigentlich nur sagen, was sie tun müssen, um sie, die Eltern, von dem Problem zu befreien, das das nicht akzeptable Verhalten aufgibt. Unabhängig vom Wortlaut wird die Botschaft als Befehl verstanden oder zumindest als sehr nachdrücklicher Vorschlag bzw. zwingende Lösung.
Solche Lösungsbotschaften rufen in der Regel Widerstand gegen Veränderung (und nicht den Wunsch danach) hervor. Die Menschen schätzen es nicht, wenn man ihnen sagt, was sie tun sollen, und – das sei noch einmal gesagt – auch Kinder sind Menschen, ob man es nun glaubt oder nicht!
Eine Mutter berichtete von ihrer Gewohnheit, Lösungsbotschaften zu senden:
»Wo ich jetzt etwas genauer über Ich-Botschaften nachdenke, stelle ich fest, dass ich gar keine gebe. Ich lasse die Kinder meine Gefühle wissen und teile ihnen mit, was ich von ihnen erwarte. Das hat aber nicht wirklich die Gestalt einer Ich-Botschaft. So heißt es zum Beispiel: ›Ich möchte, dass du dies trägst, weil ich nicht möchte, dass du das trägst, was du in
die Kirche anziehst.‹
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