Familienkonferenz in der Praxis
weiteren Paradox zwischenmenschlicher Beziehungen: Wenn man in einer Beziehung Zuflucht zur Macht nimmt, büßt man an Einfluss ein.
In der ›Familienkonferenz‹ machen wir die Eltern mit machtfreien Methoden der Konfliktbewältigung bekannt. Auf lange Sicht schaffen sie Beziehungen, in denen die Kinder bereitwillig auf die Einflussnahme ihrer Eltern reagieren.
Die besondere Sprache der Macht
Wir haben festgestellt, dass Eltern, die sich vor allem der Methode I bedienen, über ihre Rolle und ihre Einstellung stets in jener Sprache sprechen, die ich diejenige »der Macht« nenne. Typische Ausdrücke und Wendungen dieser Machtsprache sind:
Elterliche Autorität
Streng, aber gerecht
Elterliche Pflicht
Vater weiß es schon am besten
Grenzen setzen
Ein strenges Regiment führen
Streng sein
Disziplin
Elterliche Kontrolle
Gehorsam
Bestrafung
Einschränkungen
Regeln setzen
Regeln durchsetzen
Forderungen
Beachtung der Autorität
Entzug
Schläge
Zum Besten des Kindes
Folgsamkeit
Sprechen Eltern, die sich der Methode II oder des nachgiebigen Verfahrens bedienen, eine andere Sprache? Eigentlich nicht. Was wir über nachgiebige Eltern erfahren haben, hat meine früheren Überzeugungen und Meinungen von Grund auf verändert. Im Gegensatz zu dem, was man mir in meiner Ausbildung beigebracht hat – und im Gegensatz zu dem, was die meisten Autoritäten immer noch als wahr ansehen –, sind uns nicht viele Eltern untergekommen, die sich nachgiebig verhalten. Die wenigen, bei denen es der Fall war, haben sich dieses Verhalten nicht gewählt. Die meisten Eltern, die auf den ersten Blick als nachgiebig erscheinen, sind einer der folgenden Kategorien zuzurechnen:
Eltern, die sich der Methode I bedienten, als ihre Kinder klein waren (zu einem Zeitpunkt also, da Eltern wirklich Macht über ihre Kinder haben), die dann aber widerstrebend darauf verzichten mussten, als ihre Kinder größer wurden und die Eltern der Macht
verlustig gingen. (»Sie folgten unserer Autorität, als sie klein waren. Jetzt haben wir überhaupt keine Kontrolle mehr über sie.«)
Eltern, die jeden Konflikt mit der Methode I angehen, denen aber aufgrund des entschiedenen Widerstands ihrer Kinder nur noch Methode II übrigbleibt. (»Nun ja, ich habe es versucht. Ich gebe es auf, du hast gewonnen. Ich hoffe, du wirst es noch einmal bereuen.«)
Eltern, die im Allgemeinen nachgiebig sind (die also in der Regel Methode II verwenden), solange der Konflikt nicht zu ernst oder zu grundsätzlich wird. Sie wechseln zu Methode I über, sobald der Konflikt sich an einem Verhalten entzündet, das die Eltern als keinesfalls akzeptabel oder als sehr bedrohlich für ihre Wertvorstellungen empfinden. (»In dieser Frage werde ich auf keinen Fall nachgeben. Hier musst du dich meinen Wünschen schon fügen oder … «)
Diese Ergebnisse mögen zwar anfangs überraschend erscheinen. Bei näherem Hinsehen sind sie aber logisch und einleuchtend: Die meisten Eltern (wahrscheinlich ein großer Prozentsatz) sind von der Methode I der Konfliktbewältigung überzeugt. Sie ziehen sie vor und verwenden sie, ob es nun um einen hohen oder einen niedrigen Einsatz geht. Wenige Eltern sind bereit, die Konflikte mit ihren Kindern so zu bewältigen, dass sie, die Eltern, verlieren und die Kinder siegen. Wenn es zu diesem Ergebnis kommt, haben die Eltern meist die Methode II nicht aus freien Stücken gewählt oder das Resultat akzeptiert.
Die vielen Autoritäten und öffentlichen Mahner, die die Schwierigkeiten mit Jugendlichen einer bei den Eltern verbreiteten Nachgiebigkeit zuschreiben, gründen ihre Diagnose auf falsche oder nicht zutreffende Daten.
Oben war von der »Sprache der Macht« die Rede. Danach wird sie von Eltern verwendet, die nach Methode I verfahren. Ich behauptete auch, dass nachgiebige Eltern über keine eigene Sprache verfügen. Wir wollen uns damit etwas eingehender beschäftigen. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten nachgiebigen Eltern ebenfalls in den Kategorien von Sieg und Niederlage oder des Machtkampfes denken. Der Unterschied
besteht lediglich darin, dass sie in eine Haltung der Niederlage oder Frustration verfallen. Sie verwenden also eine »Sprache des Machtverlustes«:
Keine Kontrolle
Unsere Bedürfnisse werden nicht befriedigt
Fehlende Disziplin
Wir leiden
Nachgeben
Besiegt
Aufgeben
Wir verlieren
Die Kinder haben die
Die Kinder haben die Macht
Oberhand
Ungehorsam
Aufsässige Kinder
Anarchie
Verlust der Führung
Unansprechbare Kinder
Keine Achtung vor
Weitere Kostenlose Bücher