Familienkonferenz in der Praxis
erziehen. Doch mit wenigen Ausnahmen hat der überwiegende Teil die Alternative, die wir anzubieten hatten, begrüßt. Die meisten zeigten sich erleichtert, die Schuldgefühle erzeugende Rolle des strafenden Elternteils aufgeben zu können. Viele haben später zugegeben, dass die Macht und die Autorität, auf die sie sich bislang verlassen hatten, sowieso nicht die erwünschte Wirkung zeitigten.
Deshalb bin ich zu der Hypothese gekommen, dass ein großer Teil der Eltern, die als »autoritär« zu klassifizieren wären, keine »autoritären Persönlichkeiten« sind. Ihre Handlungsweise ist auf den Umstand zurückzuführen, dass sie nur eine Alternative zur Macht sehen, die Nachgiebigkeit. Und diese Rolle schätzt niemand – in keiner Beziehung. Man zeige diesen angeblich autoritären Personen eine dritte Methode – ein machtfreies, niederlageloses Verfahren, das ihnen gestattet, auch ihre Bedürfnisse zu befriedigen –, und sie werden sich erleichtert und dankbar zeigen (zumindest nach anfänglicher Skepsis).
Wenn ich recht habe, besteht durchaus Anlass zum Optimismus. Dann ist die Möglichkeit gar nicht so von der Hand zu weisen, dass wir unsere Gesellschaft von all der Gewalt, dem Vandalismus, der Rachsucht und Brutalität befreien können, die heute ihr Bild so sehr bestimmen. Jenes Verhalten, das wir »die Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Menschen« genannt haben, könnte in hohem Maße abgebaut werden, wenn einem möglichst großen Personenkreis diese menschlichen Methoden zur Konfliktbewältigung vermittelt werden könnten.
In den nächsten Kapiteln werden wir Einblick erhalten in die Familien, die unsere machtfreien Methoden anzuwenden versuchen. Wir werden ihre Mühe ebenso wie ihre Erfolge beobachten können. Jeder mag für sich selbst beurteilen, ob mein Optimismus gerechtfertigt ist.
10. Verwendung der niederlagelosen Methode: Probleme und Lösungen
D en Eltern fällt es nicht nur schwer, das Konzept der niederlagelosen Konfliktbewältigung im Prinzip zu akzeptieren, sondern es wurde uns auch von vielen Schwierigkeiten in der Praxis berichtet. Offensichtlich haben die Absolventen mehr Probleme bei der Anwendung der niederlagelosen Methode als mit den Techniken des Zuhörens und der Konfrontation. Damit soll nicht gesagt sein, dass die niederlagelose Methode allen Eltern schwerfällt.
Wir haben auch mit Eltern gesprochen, die die Methode effektiv und erfolgreich anwendeten. Dabei kam es häufig zu erstaunlichen Ergebnissen.
In diesem Kapitel will ich auf die Schwierigkeiten eingehen und anschließend Hinweise geben, wie diese unter Umständen vermieden werden können. Im folgenden Kapitel werde ich zeigen, wie man sich der niederlagelosen Methode mit Erfolg bedienen kann.
Wir sind auf eine Vielfalt von Problemen gestoßen, die Eltern bei der Anwendung der niederlagelosen Methode hatten. In unseren Interviews und Fragebogen zeigten sich jedoch bestimmte immer wiederkehrende Themen und Verhaltensmuster. In manchen Familien scheiterte der niederlagelose Problemlösungsprozess aus Zeitdruck. Zahlreiche Eltern fanden es leichter, in ihre alten Gewohnheiten zurückzufallen. Sie begannen wieder, ihren Kindern gegenüber ihre Macht und Autorität auszuspielen – in manchen Fällen kehrten sie sogar zu Schlägen und anderen Formen körperlicher Gewalt zurück. Andere Eltern hielten nicht durch. Sie brachten nicht die nötige Geduld auf, um ihre Kinder dazu zu bewegen, sich an die eingegangenen Verpflichtungen zu halten. Wieder andere Eltern konnten der Versuchung nicht widerstehen,
Befehle zu geben, besonders wenn sie es mit sehr kleinen Kindern zu tun hatten. Eine Handvoll Eltern wurde schließlich von ihren ersten Versuchen mit der Methode III so entmutigt, dass sie den Versuch zur Problemlösung voller Verzweiflung aufgaben.
Jemand drückte das so aus: »Es ging völlig daneben – das reinste Fiasko!«
Zeitdruck und Unterbrechungen
Die Problemlösung braucht ihre Zeit. Manche Eltern können sie nicht im notwendigen Umfang erübrigen, um die niederlagelose Methode effektiv zu verwenden. Im folgenden Auszug macht ein Vater dieses Zugeständnis:
»Wir halten diese kleinen Konferenzen – diese Problemlösungssitzungen – zu selten ab. Immer sind wir beschäftigt. Ich bin selbst schuld daran. Immer bin ich unterwegs, arbeite wie ein Wilder, um das Schiff flottzuhalten. Auch mein Sohn hat ständig etwas vor, nicht anders mein kleines Mädchen. Da ist es schwierig, eine Zeit zu finden, da
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