Familienkonferenz in der Praxis
über Macht zu hören, nachdem sie sie noch kurz zuvor so heftig verteidigt hatten. Ein Ehepaar, Fran und Karl, teilte uns mit:
Fran : Karl war bei seinem ersten Kommen durchaus nicht mit dieser Methode einverstanden. Er machte keinen Hehl daraus, dass nach seiner Meinung die einzige Weise, mit Kindern umzugehen, in Schlägen und Anschreien bestünde.
Karl : Ja, wissen Sie, Ben konnte ich in seinen Gefühlen allein dadurch verletzen, dass ich ihn anblaffte. Ich konnte ihn wirklich verletzen. Für ihn war das schlimmer, als hätte ich ihn geschlagen. Bei Mark war das ganz anders. Ihm machten auch Schläge keinen Eindruck. Er sagte: »In Ordnung, Papa, schlag mich ruhig, ich mach doch, was ich will. Schlag mich, wenn es dir Spaß macht.«
Fran : Erinnerst du dich an den Abend, als er die zehn Wörter schreiben lernen sollte? Er sagte: »Du kannst sagen, was du willst, aber ich lerne das nicht.« Hast du ihn eigentlich geschlagen, ich weiß das nicht mehr recht?
Karl : Ja, das habe ich.
Fran : Eine Stunde lang hat er sich an den zehn Wörtern aufgehalten, dann ging er in die Schule und hat nur eins von den zehn richtig geschrieben.
Karl : Ja. Nur ein Wort! Als wir in der nächsten Woche im Kurs von diesem Vorfall berichteten, haben wir viel Gelächter damit geerntet.
Oder nehmen wir die Mutter, deren Mann darauf drang, dass sie Methode I verwendete:
»Mein Mann sagte stets: ›Es ist deine Pflicht, dafür zu sorgen, dass er seine Hausaufgaben macht. Er muss täglich zwei Stunden in seinem Zimmer arbeiten. Wenn du eine gute Mutter bist, sorgst du dafür.‹ Ich habe alles versucht – zum Beispiel habe ich ihm sechs Monate lang das Fernsehen verboten, woran er sich nie hielt. Das funktionierte alles nicht. Er musste in seinem Zimmer bleiben, aber er saß nur da und starrte die Wände an. Er war sehr unglücklich und wir auch.«
Eine andere Mutter schilderte, wie unwirksam ihre Versuche blieben, ihre Macht zur Geltung zu bringen:
»Ich wollte Betty nicht erlauben, per Anhalter zu fahren. Sie sollte es nicht tun! Das Problem war aber, dass die Anordnung ohne Wirkung
blieb. ›Du wirst es nicht tun‹, hieß für sie, dass sie sich davonschlich und es doch tat. Und ich wusste, dass sie es tat.«
Dieselbe Mutter berichtete uns, wie sehr sie es hasste, gegenüber ihren Kindern im Vorschulalter auf ihre Macht zu pochen:
»Immer noch nehme ich zur Macht meine Zuflucht. Es gelingt mir nicht, das Problem des Schuhezubindens zu lösen. Es ist so leicht, in all diesen alltäglichen Dingen den Kindern zu befehlen. Weniger leicht ist es aber, diese Befehle alle fünf Minuten zu geben, weil die Kinder dann nicht mehr zuhören. Wissen Sie, immer und immer wieder nörgele ich an ihnen herum. Ich hasse das! Es hängt mir zum Halse heraus. Ich wähle den bequemen Weg und gebe dem Kind einen Befehl. Dabei hoffe ich, es wird das Problem lösen. Aber das tut es nicht. Ich fange an zu schreien. Und das bleibt erst recht ohne Wirkung.«
Andere Eltern haben berichtet, dass sie schreckliche Schuldgefühle empfanden, wenn sie von ihrer Macht Gebrauch machten. Dies gilt besonders für die Fälle, in der sie körperliche Gewalt in irgendeiner Form anwendeten. Ich habe den Eindruck, dass es die meisten Eltern wenig befriedigt, wenn sie jemandem wehtun, der kleiner und schwächer ist als sie. Natürlich tut es ihnen weh, denen Schmerz zuzufügen, die sie lieben. Ebenso wenig bereitet es den Eltern älterer Kinder Vergnügen, ihren Sprösslingen etwas zu verbieten, was diese sich sehr wünschen. Wenigen Menschen macht es Spaß, sich in der Rolle eines Alleinherrschers oder strafenden Elternteils zu wissen. Dabei spielt es keine Rolle, wie geistreich oder logisch die Argumentation ist, mit der sie den Machtgebrauch zu rechtfertigen versuchen.
Als Psychologe habe ich während des Studiums einiges über die »autoritäre Persönlichkeit« gelernt. Vor allem machte ich dabei die Bekanntschaft eines Buches, in dem eine Reihe von Untersuchungen zusammengetragen wurde. Sein Titel lautet The Authoritarian Personality . Ich kam zu dem Schluss, dass die Erde voller Menschen sei, deren Persönlichkeit
sie zum Gebrauch von Macht und Autorität vorherbestimmte. Deshalb erwartete ich, als ich mit dem Programm der ›Familienkonferenz‹ begann, dass eine große Zahl der Eltern diesem Stereotyp entsprechen würde. Wahr ist, dass die meisten Eltern, die sich für den Kurs anmeldeten, die Methode I verwendeten, um ihre Kinder zum Gehorsam zu
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