Familienkonferenz in der Praxis
eine sehr strenge Disziplin herrschte und in denen das Schlagen das vorherrschende Erziehungsmittel war … Ich war mir bewusst, dass ich eigentlich körperliche Strafen gar nicht anwenden wollte, aber ich hatte noch keinen anderen Weg gefunden … Deshalb nahm ich am Kurs teil. Es war aber kein plötzlicher Wandel. Ich brauchte lange Zeit, um über den Wunsch hinwegzukommen, sie zu schlagen. Heute ist es aber so weit. Sie ist jetzt zwölf Jahre alt. Damals aber war ich schnell mit Schlägen zur Hand. Ich schlug immer, ganz gleich, warum ich wütend wurde. Hinterher wünschte ich stets, ich hätte es nicht getan … Ich hatte von Anfang an eine sehr schwierige Beziehung zu diesem Kind. Heute bin ich mir meiner selbst sicher, damals, als sie zweieinhalb war, war ich aber stets in Angst und Schrecken, da wir ständig Zusammenstöße hatten, bei denen sie entweder in ihr Zimmer geschickt oder geschlagen wurde … Am schnellsten begriff ich in der ›Familienkonferenz‹ die Ich-Botschaften. Sie waren für mich von großem Nutzen. Ich stand dann in der Diele und schrie sie an: ›Mir ist wirklich danach zumute, dich jetzt zu schlagen – du bringst mich auf die Palme.‹ Dadurch gelang es mir aber, den Drang, sie zu schlagen, zu kontrollieren. Statt den Wunsch in die Tat umzusetzen, verbalisierte ich ihn … Es dauerte fünf Jahre, bis mir diese Verhaltensweise wirklich in Fleisch und Blut überging.«
Eine andere Mutter äußert sich in einigen Punkten ganz ähnlich:
»Wir kommen mit Anne, die vier Jahre alt ist, recht gut zurecht. Nur wenn sie jammert, fällt es uns auf die Nerven. Ein jammerndes Kind kann einen die Wände hochgehen lassen!!! Ich pflegte zu sagen: ›Du gehst in dein Zimmer und kannst wieder rauskommen, wenn du nicht mehr rumjammerst. Wir können es nicht ausstehen!‹ Es passiert häufig zur Abendbrotzeit – dann bin ich müde, sie ist müde … Die größte Veränderung, die die ›Familienkonferenz‹ bewirkte, ist die Tatsache, dass ich einen Weg gefunden habe, meinem Ärger Luft zu machen, ihn verbal zu äußern, statt in einer Weise, die ihr mehr Schaden zufügt.«
Oder beachten wir, wie verzweifelt die Mutter war, von der der folgende Interviewauszug stammt:
»Als ich Paul erwartete, war Nick anderthalb Jahre alt. Da begann er nachts mit kläglichem und durchdringendem Gejammer aufzuwachen. Ich ging zu ihm und versuchte alles, was mir einfiel, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er sagte nicht, was ihm fehlte, sondern fuhr nur mit seinem lauten Gejammer fort. Zuerst kam das zweimal in der Nacht vor, dann viermal. Die ganze Familie litt darunter. Ich war allmählich völlig verzweifelt. Der Tag der Niederkunft kam immer näher, und ich musste jede Nacht heraus. Schließlich schlug ich ihn, aber ich war mir darüber klar, einen Fehler zu machen.«
Trotz der Fälle, in denen Kursabsolventen berichten, dass sie geschlagen haben, finde ich es ermutigend, wie viele Eltern in der ›Familienkonferenz‹ brauchbare Alternativen zu körperlicher Strafe gefunden haben. Viele brachen mit den Verhaltensweisen, die ihnen ihre eigenen Eltern vorgezeichnet haben. Viele hießen die Ich-Botschaften und die niederlagelose Methode der Problemlösung willkommen als Alternativen zur körperlichen Strafe, die ihnen selbst schon lange zuwider war. Selbst die Eltern, die nicht ganz auf das Schlagen verzichteten, beschränkten es auf Situationen, in denen die Gesundheit ihrer Kinder auf dem Spiel stand.
11. Die erfolgreiche Anwendung der niederlagelosen Methode
U nsere Erhebung unter Kursabsolventen macht in überzeugender Weise deutlich, dass es vielen Eltern gelingt, die niederlagelose Methode erfolgreich anzuwenden. Wir hörten von zahlreichen Konfliktsituationen, die dadurch bewältigt wurden. Einige Situationen waren einfach. Dementsprechend war der Problemlösungsprozess kurz. Andere Situationen waren komplexer, dort nahm das Verfahren mehr Zeit in Anspruch. In einigen Fällen ging es um einen Konflikt zwischen einem Elternteil und einem Kind. In anderen Beispielen musste die ganze Familie an dem Problemlösungstreffen teilnehmen. Obgleich die meisten Eltern anfangs der Meinung sind, dass Methode III nur mit älteren Kindern funktioniert, hörten wir von vielen, dass sie die Methode dann auch bei Kleinkindern und manchmal sogar bei Säuglingen anwendeten. Wir haben auch die Fälle zusammengestellt, in denen die niederlagelose Methode zur Bewältigung von Konflikten zwischen Geschwistern benutzt
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