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Familienkonferenz in der Praxis

Familienkonferenz in der Praxis

Titel: Familienkonferenz in der Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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zu sein, dass das Problem »sein Fehler« sei. Wie sich ein Problem wirkungsvoll als Ich-Botschaft äußern lässt, zeigt sich in unseren Interviews:

    »Ich werde ärgerlich, wenn du dich in der Kirche so unruhig verhältst, weil ich mich dann nicht konzentrieren kann.«

    »Wo wir jetzt den schönen großen Gemeinschaftsraum haben, macht es mir zusätzliche Arbeit, den Wohnbereich in Ordnung zu halten. Ich bin dann ärgerlich, wenn ich vom Flur aus sehe, dass die Schreibtische in eurem Zimmer Tag für Tag bis oben hin mit Spielzeugen vollgepackt sind.« »Ich habe Angst, dass die Lampen von den Tischen fallen und kaputtgehen, wenn ihr im Wohnzimmer Fangen spielt.«
    »Ich bin traurig, wenn ihr beim Essen fernseht. Ich würde beim Abendessen gern hören, was ihr am Tag erlebt habt, und euch berichten, was ich erlebt habe. Ich bin ein bisschen verletzt, dass das nicht geht.«

    Wenn Sie Problemlösungssitzungen mit Botschaften wie diesen beginnen, erhöhen Sie dadurch die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass die Kinder bereitwillig an dem Prozess teilnehmen. Sie haben dann das Gefühl, dass auch sie eine Chance haben zu siegen.
    Wenn die Bedürfnisse klar sind, stellen sich auch Lösungen ein
    Häufig wollen Eltern die niederlagelose Methode für manche Situationen nicht gelten lassen. Sie sind in diesen Fällen der Meinung, der einzige Weg zur Konfliktbewältigung bestünde darin, dass der eine seinen Willen bekommt und der andere nicht.

    Der Vater braucht den Wagen heute Abend. Mark hat fest mit ihm gerechnet, da er eine wichtige erste Verabredung mit einem Mädchen hat. Die Mutter muss morgens zur Arbeit, aber Bonnie weigert sich, zur Schule zu gehen.
    Judy will ihren Regenmantel nicht anziehen, weil sie die Farbe hasst. Aber die Mutter besteht darauf, dass sie ihn trägt, wenn es regnet. Beide Eltern wünschen, dass die Kinder mit ihnen gemeinsam zu Abend essen. Diese möchten aber ihre Lieblingssendungen im Fernsehen nicht versäumen.

    Wenn von solchen Konflikten die Rede ist, sagen Eltern häufig: »Entweder ich bekomme meinen Willen oder die Kinder«, oder: »Es gibt keine Lösung, die für Eltern und Kinder gleichermaßen akzeptabel ist. Irgendjemand muss unterliegen.« So scheint es in der Tat zu sein. Diese Auffassung rührt aber daher, dass die meisten Menschen gewöhnt sind, von konkurrierenden Lösungen statt von konkurrierenden Bedürfnissen auszugehen.
    Wenn man das Regenmantelproblem als einen Konflikt zwischen konkurrierenden Lösungen betrachtet, erscheint es selbstverständlich so, als existierten nur zwei Lösungen: Entweder wird das Mädchen dazu gebracht, ihn anzuziehen, oder man erlaubt ihr, es zu lassen. Ein Sieger und ein Verlierer. Betrachten wir das Problem aber einmal unter der Perspektive konkurrierender Bedürfnisse. Dann stellen wir fest, dass Judy keinen Regenmantel anziehen mag, dessen Farbe ihr missfällt. Sie aber haben das Bedürfnis, zu verhindern, dass Judy krank wird. Plötzlich eröffnen sich viele verschiedene Lösungen: Judy kann einen Regenschirm nehmen, sie kann einen Regenmantel bekommen, dessen Farbe ihr gefällt. Vielleicht kann der Regenmantel gefärbt werden, vielleicht kann sie ihren Regenmantel gegen den einer Freundin eintauschen usw.
    Von Familien, in denen die Methode III erfolgreich angewendet wurde, wissen wir, dass sie immer dann funktioniert, wenn die Bedürfnisse klar erkannt und mitgeteilt werden. Sie schlägt dagegen häufig fehl, wenn Eltern und Kinder sich engherzig an die Vorstellung eines »Entweder-oder« klammern. Nirgends zeigte sich das deutlicher als im folgenden Beispiel, das uns ein Vater von zwei Kindern im Alter von sieben und neun Jahren lieferte:

    »Das Fernsehprogramm überschnitt sich mit dem Abendessen. Die Kinder wollten mit ihren Tellern vor dem Fernsehapparat sitzen oder gar nichts essen. Es hatte schon viel Streit darum gegeben. In einer Problemlösungssitzung der ganzen Familie fasste ich das Problem zusammen. Meine Frau und ich sendeten Ich-Botschaften. Das Fernsehen störte uns, (1) weil ich mich während des Abendessens gern mit den Kindern unterhalten
hätte; (2) weil für meine Frau die Vorbereitung des Abendessens zum Problem wurde – es warm zu halten, bis die Sendung vorbei war; (3) weil es zum Streit kam, die Gefühle verletzt wurden und niemand wirklich Spaß am Essen hatte, wenn wir versuchten, die Kinder dazu zu zwingen, am Tisch zu essen. Wenn sie vor dem Fernsehapparat aßen, blieb das Geschirr dort stehen, und meine

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