Familienpackung
abzuholen. Eigentlich wollte ich nochmal ausgiebig baden, aber eine Dusche wird’s ja auch im Krankenhaus geben. Sandra begleitet uns zum Auto, findet meine
geplatzte Tasche gar nicht schlimm, an sich sogar sehr schick, irgendwie lässig, und winkt uns ausgiebig hinterher. Sandra ist eine von den Guten. Jawoll.
Christoph ist aufgeregt. Wie süß. Er plappert im Auto vor sich hin. Erklärt mir, wie sehr er sich auf das Baby freut. Sagt, dass er ein bisschen Angst hat, im OP zu schwächeln. Christoph darf beim Kaiserschnitt dabei sein. Bei geplanten Kaiserschnitten ist das heutzutage gang und gäbe.
Punkt 14 . 00 Uhr melden wir uns auf der Station. 5 b links. Nicht der Privatstation, die ist rechts, sondern der für die normal Versicherten. Wie mich. Hier habe ich auch bei Claudia gelegen. »Wenn ich im selben Zimmer lande wie damals, ist es ein gutes Omen«, denke ich und finde mich zehn Minuten später genau am anderen Ende des Ganges wieder. Gut, dass ich an so einen Kram nicht wirklich glaube. Oder nur ein ganz klein wenig. Ich meine, wer kennt das nicht. Man läuft auf dem Trottoir und sagt sich: »Wenn ich es schaffe, bis zur nächsten Ecke auf keine Linie zu treten, dann wird mein Tag toll.« Oder: »Wenn mich der nächste Passant anlächelt«, oder: »Wenn ich bis zur Kreuzung noch drei VW Golfs sehe.« Als ich das mal Christoph erzählt habe, hat der geguckt wie ein begriffsstutziger Idiot. »So was machst du?«, hat er in einem Ton gefragt, als hätte ich gerade gestanden, nachts heimlich in Lackmontur in Swingerclubs zu gehen, und hat dann allen Ernstes behauptet, er selbst wäre noch nie auf so eine Idee gekommen. Männer und Frauen sind doch sehr verschieden.
Es ist ein anderes Zimmer, das aber genauso aussieht. Austauschbar. Jahre sind vergangen und hier merkt man nichts davon. Ein Dreibettzimmer. Und wie beim letzten
Mal ist nur die Mitte frei. Wie schaffen die anderen Frauen das nur immer, im richtigen Bett zu landen? Ich möchte so gern mal am Fenster liegen. Aber im Fensterbett liegt eindeutig jemand drin. Sie schläft. Pech gehabt, Andrea. »Hier wären wir, Frau Schnidt, machen Sie es sich erst mal gemütlich, später gibt’s dann Ultraschall und Arztgespräch«, informiert mich die Schwester, die ich vom letzten Mal nicht kenne. Schwester Lisa steht auf ihrem Schildchen und sie sieht aus wie Schwester Stefanie aus dieser Schwachsinnsserie bei Sat 1 . Genau der gleiche Gutmensch-Typ. »Sie sehen ein bisschen aus wie die aus dem Fernsehen, diese Schwester Stefanie«, sage ich zu ihr und hoffe, dass sie nicht gleich beleidigt ist. Im Gegenteil. Sie strahlt. »Danke, tolles Kompliment«, sagt sie und rauscht ab. Jetzt wollte ich sie eigentlich noch ein bisschen was zum weiteren Prozedere fragen, aber was soll’s. Sie wird schon wiederkommen. Als Erstes lasse ich die Tasche im Schrank verschwinden. »Na denn«, witzelt Christoph, »ab ins Bettchen, mach’s dir gemütlich, mein Kleines. Ich komme heute Abend wieder und bringe dir letzte Köstlichkeiten, bevor es losgeht. Alles was dein Herz und dein Bauch begehren.« Manchmal ist er wirklich sehr süß. Für einen Mann ist er ein ausgesprochen angenehmes Modell. Jedenfalls meistens. Mehr kann man von der Gattung wahrscheinlich auch nicht erwarten. »Fein«, sage ich, »da freue ich mich ja jetzt schon, bring mir bitte Pommes, einen Hamburger und ein wenig Salat.« Salat ist immer gut. Man hat sofort ein besseres Gewissen, wenn ein wenig Salat dabei ist. »Und ein Eis, für hinterher. Zitrone, Himbeer und Heidelbeer mit Sahne«, vollende ich meine Bestellung. »Wird gemacht, Madam. Ich lasse dir noch dein Telefon anschließen und mache mich dann
vom Acker«, verabschiedet sich der Mann meines Herzens. Ich ziehe ihn an mich, soweit das bei meiner ausladenden Vorderfront noch möglich ist, und küsse ihn. Was dieser Mann küssen kann! Herausragend, wirklich! Von Anfang an. Wunderbar. Ein Mann, der so küssen kann, ist selten. Ich kann das beurteilen, schließlich habe ich ausreichend Männer geküsst. Wenn ich an einige denke, wirkt ein Zahnarztbesuch im Vergleich attraktiv.
Christoph geht, er fehlt mir direkt und die Fensterfrau bewegt sich. Was soll ich eigentlich jetzt schon hier? Mich mental vorbereiten? Das Bett warmliegen? Kontakte knüpfen? Mich gepflegt langweilen? Hätte es nicht auch gereicht, kurz vor dem Kaiserschnitt herzukommen? So wie beim Friseur. Ein letzter Abend zu Hause hätte auch schön sein können. Ich schnappe mir
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