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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Wiedmann will Sie sprechen.«
    Doktor Wiedmann. Hilfe, der Müffeldoktor. Guck mal einer an, da ist der jetzt Oberarzt. Hat Karriere gemacht. Hoffentlich riecht er besser als damals. Meine Güte, was hat der mich bei der Entbindung von Claudia genervt. Dieser Oberlehrertyp. Nie werde ich vergessen, wie der streng »Nicht in den Kopf pressen« zu mir gesagt hat. Als wäre das eine echt tolle Neuigkeit, dass Kinder nicht aus dem Kopf kommen. Aber gut, jeder verdient eine zweite Chance. Ich laufe ergeben hinter Schwester Huberta her.
    Im Arztzimmer wartet schon Dr.Wiedmann. »Hallo, Herr Doktor Wiedmann, nett, Sie mal wieder zu sehen«, probiere ich die freundliche Variante. »Wieder?«, sagt er nur etwas verwirrt und guckt schnell auf das Patientenblatt vor sich. Der erinnert sich tatsächlich kein Stück an mich. Da sieht man es mal wieder. Man zeigt dem Mann intimste Körperteile und trotzdem hat der nicht den Hauch einer Idee, wen er da vor sich hat. Nicht kleinlich sein, Andrea, zügele ich mein latent aufsteigendes Gefühl von Beleidigtsein, der sieht so viel Muschis, da muss man sich schon eine besonders flotte Schamhaarfrisur zulegen, damit der Herr Oberarzt vielleicht so was wie Erinnerung zeigt. »Erste Entbindung spontan, keine Komplikation, jetzt Kaiserschnitt, wieso das, Frau Schnidt?«, fragt er mich. »Ein bisschen Abwechslung im Leben ist doch nett«, teste ich seinen Humor. Der Test fällt definitiv negativ aus. Humor scheint bei ihm leider nicht vorhanden. »Ein Kaiserschnitt ist eine Operation«, sagt er ernst und guckt mich ein wenig streng an. Da wäre ich ja selbst nie draufgekommen – eine Operation, was für eine Neuigkeit. »Ich weiß das durchaus,
aber bei einer Steißlage ist er wohl angebracht«, versuche ich, Fachwissen zu demonstrieren. »Nun ja, es gibt Frauen, die auch Steißlagen spontan entbinden«, sagt er. »Es gibt auch Menschen, die Achttausender ohne Sauerstoff besteigen und täglich ›Gute Zeiten, schlechte Zeiten‹ gucken«, antworte ich etwas spitz und schiebe dann aber hinterher, dass der Kaiserschnitt eine Empfehlung meines Gynäkologen sei. Entspannungstaktik. Ich habe schließlich keine Lust, mich mit dem Wiedmann rumzustreiten. »Gut, Frau Schnidt«, gibt er sich endlich geschlagen, »dann wollen wir mal den Ablauf von morgen besprechen.« »Fein«, sage ich und die Versöhnung ist eingeleitet. Er riecht übrigens besser als vor drei Jahren. Unauffällig. Immerhin. »Sie sind früh dran, gegen sieben Uhr holen wir Sie aus Ihrem Zimmer und so um neun Uhr sollte der Nachwuchs da sein. Wir machen heute noch einen Ultraschall, Sie kommen an den Wehenschreiber und später haben Sie noch ein Gespräch mit unserer Anästhesistin und dann kommt eine Schwester zum Rasieren und Einlauf machen. Gibt’s noch Fragen?« Ich bin froh, dass die Schwester den Teil mit dem Rasieren und dem Einlauf übernimmt. »Operieren Sie morgen selbst?«, frage ich nochmal nach. »Normalerweise nur bei Privatpatienten, aber morgen haben Sie Glück, da mache ich auch Kasse.« Er macht auch Kasse. Wie gnädig von ihm. Welch Glück und Segen. Mein Sohn wird als ersten Mann auf Erden Doktor Wiedmann sehen. Vielleicht hat er auch Glück, der Kleine, und die Augen zu. Nicht, dass er direkt zurückkriecht vor Schreck.
    Wiedmann macht auch Kasse. Welch Doppeldeutigkeit. Das fällt mir erst jetzt auf. Bei mir wird sich das mit dem Kassemachen aber in gesetzlichen Grenzen halten, oder
denkt er, ich stecke ihm nach der OP noch einen kleinen Obolus zu? War das ein versteckter Hinweis? Egal – das wird ignoriert. Die Audienz ist beendet. »Sie können jetzt aufs Zimmer, Frau Schnidt«, verabschiedet er mich. »Danke«, sage ich und weiß gar nicht so recht wofür. Aber sicherheitshalber sollte ich zu diesem Kerl wenigstens bis morgen Vormittag nett sein. Schließlich wird er mir den Bauch aufschneiden und da hätte ich schon gerne, dass er mir prinzipiell wohl gesinnt ist und sich Mühe gibt.
     
    »Du kommst perfekt zur Kaffeezeit«, begrüßt mich Sigrid, meine neu gewonnene Freundin im Zimmer. Das Bett am Waschbecken ist jetzt auch belegt. Und drin thront unübersehbar Inge Müller-Wurz. Die Eso-Müsli-Inge-Müller-Wurz. Meine Bekannte. Die schon bei meiner letzten Entbindung mit mir im Zimmer lag. So einen Zufall gibt’s doch gar nicht. Ich habe Inge noch im Schwimmkurs von Claudia gesehen und dann ein paar Mal zum Kaffeetrinken. Danach haben wir uns aus den Augen verloren. Und jetzt das. Haben Inge und ich

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