Familienpackung
verheult aus. Zum Glück. »Alles okay, Anita?«, rufe ich zu ihr rüber. »Geht es Friedhelm gut?« »Dem geht’s prima und dir wohl bald auch«, ist ihre etwas merkwürdige Antwort. Die Beamten verabschieden sich, nicht ohne noch einen grinsenden Blick in unsere Richtung zu werfen. Anita zeigt eindeutig auf mich. Will sie mich verkuppeln, hat einer der Beamten Interesse an mir? Die Polizisten steigen in ihr Auto und fahren an Tamara und mir vorbei. Nicht ohne freundlich zu winken. Unsere Freunde und Helfer.
Wir stürmen zu Anita. »Erzähl«, sagt Tamara nur. »Kommt lieber rein«, tut Anita äußerst geheimnisvoll. Anita genießt es, mal voll im Mittelpunkt zu stehen. »Kaffee?«, fragt sie. »Ja, aber erzähl endlich«, bestürmen wir sie. Sie stellt uns drei perfekte Latte macchiato mit Eins-a-Milchschaum auf den Tisch – wer macht heute schon noch schnöden Kaffee? –, setzt sich zu uns und legt endlich los: »Also, heute Morgen klingelt der Paketbote. Ob ich ein Päckchen annehmen könne? Klar. Warum auch nicht? Ich lege es in die Küche. Da, neben die Mikrowelle. Eine halbe Stunde später hole ich den Staubsauger raus und fange an zu saugen.« Sie macht eine große Pause und trinkt einen Schluck. Bis hierher finde ich die Geschichte nur mäßig aufregend. Und noch sehe ich auch keinen Grund, die Polizei zu rufen. Ist ihr der Sauger explodiert? Nein, der steht, sehr gut sichtbar, mitten im Wohnzimmer. »Ja und weiter«, drängeln wir unisono. »Na ja«, sagt sie, »auf einmal höre ich ein komisches Geräusch,
so ein Surren. Ich mache den Staubsauger aus und horche. Kein Surren mehr. Staubsauger an – und da ist es wieder. Ich lasse den Sauger an und suche, woher das Geräusch kommt. Aus dem Paket. Eindeutig. Dem Päckchen, das der Paketbote bei mir hinterlegt hat. Ein total komisches Geräusch. Und wenn ich den Staubsauger ausgemacht habe, war’s weg.« Tamara ist gefesselt. »Wahnsinn«, sagt sie und ich kann ihre Begeisterung noch nicht ganz teilen. »Und warum kommt die Polizei, wenn’s aus Päckchen surrt?«, frage ich vielleicht ein bisschen naiv. Tamara fasst sich an die Stirn. »Sag mal, ist dir nicht klar, was das bedeuten kann? Wenn ein Paket ein Geräusch macht? Ich sage nur Zeitzünder, Sprengstoff. Man soll ja auch keine fremden Päckchen annehmen. Wie in Thailand. Da können Drogen drin sein. Schmuggelware oder eben Dynamit.« Gut, wenn man so überlegt. Man soll heutzutage ja vorsichtig sein. »Für wen war denn das Paket«, erkundige ich mich bei Anita. »Wart’s mal ab, du wirst Augen machen«, sagt sie vieldeutig und redet weiter: »Ich mach also schnell den Staubsauger aus und überlege. Dann habe ich den Friedhelm angerufen, aber der war in der Klasse am Unterrichten. Und da habe ich gedacht, wofür gibt’s Polizei? Und ich habe mal angerufen, um zu fragen. Die waren total aufgeregt. Fast mehr als ich. Ich solle das Paket in den Garten legen und warten. Weit weg vom Paket. Und auf keinen Fall mehr staubsaugen.« Dass einem die Polizei mal das Staubsaugen verbieten könnte, hätte ich nicht für möglich gehalten. Bisher, wie ich finde, übrigens die lustigste Stelle der Geschichte. »Und dann«, bettelt Tamara förmlich um mehr. Anita räuspert sich, »dann, es hat nur ungefähr zehn Minuten gedauert, kommt die Polizei. Sie klingeln und ich höre es von ferne im Garten wieder surren. Der eine,
dieser Große mit dem Schnauzer, ist todesmutig raus in den Garten, hat sich das Paket geschnappt und leicht geschüttelt. Ich musste in den Keller. ›Bleiben Sie, wo Sie sind, wir werden das Paket öffnen‹, haben sie mir runtergerufen. Ich habe hier am Treppenabgang gehockt. Ich meine, wenn die schon eventuell meinen Garten in die Luft sprengen, dann will ich wenigstens dabei gewesen sein.« »Wie mutig«, sagt Tamara voller Bewunderung. »Und?«, unterbreche ich die andächtige Stimmung, schließlich hat Anita ja kein Kind im Alleingang aus einer Geiselhaft befreit und man muss es mit der Bewunderung ja auch nicht übertreiben. Außerdem sieht der Garten eindeutig aus wie immer. »Was war drin, Anita, ein Pürierstab oder ein Wecker oder was?« »Na ja«, sagt Anita, die durchaus Witz hat, »eigentlich hat es von beidem was.« Sie steht auf, geht in die Küche und holt das offene Päckchen aus dem Schrank. Mit großer Geste zieht sie den Inhalt hervor. Es ist – ein Vibrator. Ein rosafarbener Vibrator mit einer Art Öhrchen oben dran. Der ›rosa Riesen-Rammler‹. Genau das Modell, von
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