Familienpackung
wundert es mich nicht mehr, warum die meisten Türkeiurlauber goldkettchenbehängt aus den Ferien heimkommen. Es ist schwer, den Verkäufern zu entrinnen. Fast ist man geneigt, sich mit ein oder zwei Armbändchen freizukaufen. Es herrscht eine unterschwellige Aggressivität. An jeder Ecke skandiert jemand »Sehr billig, tolle Ware, zwei für eins« oder Ähnliches und wenn man vorbeiläuft, ohne den Laden betreten zu haben, sind sie beleidigt. Ich erstehe vier Handtaschen. Ich will ja keine Nation verärgern. Blender-Täschchen. Zwei Tods-Imitate und zwei Prada-Fakes. Christoph meint, für das Geld würde man auch eine echte bekommen, was aber nur zu deutlich zeigt, wie wenig Ahnung er von Handtaschenpreisen hat. »Andrea, denk an den Zoll«, ermahnt mich der Herr Anwalt dann, als ich noch eine fünfte und sechste Tasche kaufen will. »Waren für mehr als hundertfünfundsiebzig Euro muss man verzollen.
« Oder durchschummeln. Das Risiko kann man nun wirklich mal eingehen. Der alte Angsthase. Der tut gerade so, als hätte ich vor, sieben Kilo Marihuana aus Thailand zu schleusen – und das in seinem Koffer. Ich verzichte auf Tasche Nummer sechs und behaupte, dass Nummer drei, vier und fünf Weihnachtsgeschenke seien. So viel ökonomisches Vorausdenken überzeugt ihn.
Christoph hat nach zwei Stunden Side-Stadtbummel genug. Es ist ihm zu heiß, zu staubig und zu nervig – und wahrscheinlich auch zu teuer. Schade, ein, zwei Paar Schuhe oder ein weiteres Täschchen hätte ich sicher noch gefunden. Aber meine Beute ist ja auch so einigermaßen okay. Ich bin nun mal eine schnell entschlossene Käuferin. Zur Not kann ich ja nochmal allein nach Side fahren.
Im Club gibt’s heute Abend zur Abwechslung mal kein Musical, sondern eine Modenschau. Der clubeigene Ledershop zeigt sein Angebot. Präsentiert von all den Zöpfchenfrauen hier im Club, die sich so einmal in ihrem Leben wie Heidi Klum und Co. fühlen dürfen. Ich bin nur ein paar Minisekunden beleidigt, weil mich keiner gefragt hat, ob ich mitmachen will. Dann eben nicht.
Das meiste ist nicht nach meinem Geschmack. Zu opulent. Man kann sich bei 43 Grad im Schatten auch nur schwer für Winterledermäntel mit Pelzbesatz begeistern. Aus Pelzen mache ich mir sowieso nicht viel. Ich werde einfach nicht gerne angespuckt.
Der Boutiquebesitzer erwähnt nebenbei, dass man sich selbstverständlich auch etwas nach Maß schneidern lassen kann. Ganz ohne Pelz. Nur aus Leder. Das klingt doch schon besser, vor allem weil es preislich so verlockend ist. Christoph willigt ein. Widerstrebend zwar, aber was soll’s.
Ich entscheide mich für einen schwarzen Hosenanzug aus Wildleder. Elegant, aber doch lässig. Sehr chic. Ganz so günstig ist er dann doch nicht. Immerhin 600 Euro. Dafür maßgeschneidert. Und so schön weich. »Das ist dann dein Weihnachtsgeschenk«, sagt Christoph und zahlt.
Der Anzug hat mir dann daheim auch sehr viel Freude bereitet. Um genau zu sein – ich hatte ihn einmal an. Bei Freunden von Christoph. Babette und Heiner. Ein Pärchen, das er noch von der Uni kennt. Babette hatte zum Cocktail geladen. In ihre neue, gemeinsame Wohnung. Und ich saß drei Stunden ziemlich gelangweilt auf der Couch rum. Auf einer ziemlich unbequemen Designercouch. Eine dieser flachen, tiefen Modelle, auf denen man eigentlich nicht sitzen, sondern nur lungern kann. Als ich aufgestanden bin, um Christoph zu fragen, ob wir endlich heimgehen können, habe ich die Bescherung entdeckt. Der neue Anzug war nicht ganz farbecht. Das Leder hatte deutliche Spuren auf der Couch hinterlassen. Dummerweise war die Couch weiß und der Anzug bekanntlich schwarz.
Von Babette und Heiner haben wir seitdem nichts mehr gehört. Kein großer Verlust und auch ein Tick kleinlich – schließlich hat unsere Haftpflicht die Reinigung übernommen. Leider nur von der Couch und nicht vom Anzug. Der färbt, trotz dreimaligem Imprägnieren, immer noch ab. Und stinkt seitdem wie eine Chemiefabrik. Sollte ich je wieder in die Türkei fahren, werde ich dem Lederboutiquenfritzen das Teil um die Ohren klatschen.
»Mama, kriegen wir ein Eis«, plärrt Mark aus dem Sandkasten. Sie kriegen eins.
Sigrid, die Kinder und ich verbringen einen schönen Nachmittag. Zwischendrin kommt, wie versprochen, der Getränkehändler, versteckt alles im Keller und auch Giovanni meldet sich. »Wann soll ich liefern das Überraschungsesse?«, fragt er mich. Gute Frage. Ich muss es hinkriegen, dass Christoph morgen, an seinem
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