Familienpackung
vor mich hin. Richtig schlafen, mit einem knapp Zweijährigen, ist illusorisch. Alle drei Minuten muss ich irgendein neues Sandgebilde begutachten. Das Schöne an den Kleinen, sie merken nicht, wenn man einfach nur »Toll« sagt, ohne genauer hinzuschauen. Eine Stunde spielt er mit sich selbst und dem Sand. Dann ist ihm langweilig. Er will, dass ich ihm eine Burg baue oder ein Eis kaufe. Ich entscheide mich fürs Eis.
»Toll, dass ihr da seid«, begrüßt mich Carlo, einer der Animateure, im Strandrestaurant. So viel Begeisterung, nur weil wir ein Eis kaufen? Falsch, er denkt, wir wären fürs Nachmittagsquiz da. Ich sträube mich etwas, lasse mich dann aber überreden, denn eigentlich liebe ich jede Art von Quiz. Ich kann mich sogar bei ›Wer wird Millionär?‹ vergnügen. Vor allem, weil man zu Hause auf dem Sofa ja immer so verdammt schlau ist. Etwa zehn Leute sind gekommen. Darunter auch Klaus, der Streberläufer von heute Morgen, nebst Gattin. Eine ausgemergelte Blondine mit hervortretenden Schulterknochen namens Heide. Heide kennt meine Versagensgeschichte von heute Morgen und ist Triathletin, wie sie mir sogleich, leicht schwäbelnd, erzählt. Pflichtschuldig sage ich »Klasse« und schwöre mir
im Stillen, meine Schmach von heute Vormittag jetzt wettzumachen.
»Es geht um Allgemeinwissen«, kündigt Carlo an. Ich sehe meine Chancen schwinden. Geschichte und Erdkunde sind nicht unbedingt mein Spezialgebiet. Kommt auch nicht dran. Es sind eher Fragen vom Kaliber wie: »Nennt mir die Vornamen von Madonnas Kindern.« Lourdes und Rocco, wie einfach. Natürlich weiß ich auch, mit wem Sheryl Crow mal liiert war. Mit Lance Armstrong, dem Radfahrer. Und warum sich Samantha und Carrie, die beiden aus ›Sex and the city‹ im echten Leben gestritten haben, kann ich auch beantworten. Wegen der Gagen! Es flutscht nur so. Ich bin nun mal eine routinierte Bunte-Leserin. Spätestens seit meiner Zeit als Redaktionsassistentin. Da war der Donnerstag immer ein sehr beliebter Tag. Bunte, Gala und Stern. Herrlich. Klaus und Heide werden von Frage zu Frage zickiger. »Was hat das denn mit Allgemeinbildung zu tun?«, ärgert sich Streber-Klaus. Natürlich nichts, aber es geht ja auch um fast nichts. »Es ist doch nur ein Spiel«, muss Carlo die aufgebrachten Gemüter nach Frage sechs (»In welchem Film spielt ein Juwelier eine Rolle?« – ›Frühstück bei Tiffany‹ selbstverständlich!) beruhigen. Doch Klaus ist erzürnt. Vor allem, weil nach sechs Fragen klar ist, dass mir der fulminante Sieg nicht mehr zu nehmen ist. Ich habe alle sechs Antworten gewusst und komme mir schon fast supergescheit vor. Das Quiz hat, zu Klaus und Heides Ärger, nur zehn Fragen. »Da können wir ja jetzt Schluss machen«, zischt Klaus und sagt dann leise zu Heide, aber nicht leise genug: »Ist ja klar, dass da eine doofe Hausfrau gewinnt, die beschäftigt sich ja mit nichts anderem.« Wie gerne würde ich jetzt aufstehen und sagen: »Gestatten,
Dr.Andrea Schnidt, Hirnforscherin.« So tue ich halt so, als hätte ich nichts gehört, und lasse mich wenigstens von Carlo beglückwünschen. Siegen macht nicht beliebt – eine Erkenntnis immerhin. Ich gewinne einen Besuch im Hammam. »Du wirst es lieben, Andrea«, verspricht mir Carlo augenzwinkernd.
Ich löse den Gutschein zwei Tage später ein. Hammam ist wie eine Art Mischung aus Dampfsauna, Massage und gründlicher Waschung – in einem Badehaus zelebriert. Was mir keiner gesagt hat, ist, dass es ein Kerl ist, der mich wäscht. Ein winzig kleiner Türke, sehr spärlich bekleidet. Eigentlich trägt er, wenn man genau hinschaut, nur ein Handtuch um die Hüften. Sein Oberkörper ist komplett behaart und der Rücken sieht genauso aus. Nur ohne Brustwarzen. Fell, wohin das Auge blickt. Ich bin in der eigenen Bekleidungsfrage etwas unsicher. Darf man den Bikini anlassen oder wirkt das extrem prüde? Andererseits, könnte es den kleinen Kerl nicht furchtbar verschrecken, wenn ich mich direkt nackt präsentiere? Ich bin ratlos. Er scheint das zu kennen. »Weg«, sagt er und deutet auf den Bikini. Holla, der kommt ja ohne Umwege zur Sache. Ansonsten spricht er nicht. Kein Wort. Ich neige dazu, jeden zu bequatschen, aber er macht mir klar, dass er mich nicht versteht. Gut, dann halt nicht. Ich wollte ja bloß höflich sein und die Situation ein wenig entkrampfen. Beim Hammam liegt man auf einer gekachelten Fläche, einer Art Liege aus Kacheln, und der Meister der Zeremonie seift einen ein. Wedelt feinsten
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