Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Dr. Raabe, nachdem er das Gehörte verdaut hatte.
»Noch nicht«, antwortete Keller wahrheitsgemäß.
»Dann wird es vorerst kein weiteres Verhör geben. Mein Mandant und ich müssen die Gelegenheit bekommen, die neue Sachlage zu überprüfen und uns abzustimmen. Wir benötigen eine angemessene Beratungszeit.«
»Aber ich brauche Informationen«, beharrte Keller. »Hier und jetzt!«
Der dicke Anwalt schaltete auf stur. »Sprechen Sie mit der Staatsanwältin und kommen Sie wieder, wenn Sie befugt sind.«
»Dieser Umweg kostet mich unnötig viel Zeit und wirft die Ermittlungen zurück«, beschwerte sich Keller.
Raabe setzte ein süffisantes Lächeln auf. »Das, mein lieber Herr Polizeioberrat, ist mitnichten mein Problem.«
10
Als er, durch den Hausflur gehend, noch gute fünf Meter von seiner Wohnungstür entfernt war, nahm Konrad Keller bereits das unüberhörbare Poltern und Rumsen wahr, dessen Ursache er in der Anwesenheit seiner zwei Enkeltöchter Katrin und Nathalie vermutete. Denn nur Kinderfüße waren imstande, einen Lärm zu erzeugen, der sich über Teppichböden, Flurfliesen und Parkettböden hinweg in akustischen Monsterwellen durch ein ganzes Haus verbreiten konnte. Er wusste nichts von einem angekündigten Besuch der beiden. Kati und Nati, seine beiden temperamentvollen Lieblinge, mussten mit ihren Eltern also für eine Überraschungsvisite vorbeigekommen sein. Das kam leider viel zu selten vor, dachte sich Keller, während er den Türschlüssel ins Schloss steckte.
»Opi, Opi!«, riefen die strohblonden Zwillinge wie aus einem Mund und umklammerten Kellers Beine.
»Nicht so stürmisch, ihr Süßen.« Er streichelte den beiden Fünfjährigen über die Köpfe.
Am ausgeklappten Esstisch, den Doris gemeinsam mit Schwiegertochter Inge mit frisch aufgeschnittenem fränkischen Landbrot, einer Schale Obatzen, geräucherten Schinken, Radieschen und – für die Kleinen – Gelbwurst gedeckt hatte, vertieften sich Keller und sein Sohn Burkhard in ein Gespräch über dessen Tierarztpraxis. Nach einem zögerlichen Start hatte Burkhard eine stabil wachsende Stammkundschaft aufbauen können, von der er hoffte, dass sie ihm jeweils über den Zyklus eines Kleintierlebens hinweg die Treue hielt. Dank der zeitweiligen Assistenz von Inge konnte er sogar selbst Operationen ausführen, die nicht nur eine besondere Herausforderung für ihn und sein medizinisches Geschick darstellten, sondern auch als besonders lukrativ galten.
»Und bei dir, Paps? Was machen deine Ganoven?«, wechselte Burkhard schließlich die Perspektive des Fragestellers.
»Das, was sie am besten können: Mir keine Ruhe lassen, selbst kurz vorm Ruhestand.«
»Geht es um diese Sache im Südklinikum? Ich habe darüber gelesen.« Burkhard, im Gegensatz zu seinem älteren Bruder ein zum Rundlichen neigender Gemütsmensch, aber mit Köpfchen und dem Herz am rechten Fleck, sah seinen Vater forschend an. »Da gab es jetzt sogar einen zweiten Toten, ja? Steht beides in einem Zusammenhang?«
Der Senior nickte nachdenklich. »Ja, ein Zusammenhang lässt sich nicht leugnen, obwohl ich es liebend gern täte. Denn der einzige in Frage kommende Täter saß bereits in Haft, als sich der zweite Todesfall ereignete.« Keller erzählte seinem Sohn alles darüber, was er für relevant erachtete und ließ lediglich Interna und persönliche Angaben weg, über die er nicht sprechen durfte.
Burkhard hörte geduldig und ohne unterbrechende Fragen zu, fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch sein lichter werdendes Haar und meinte: »Manipulation und Sabotage hin oder her: Dass der Anästhesist gestorben ist, macht mich stutzig. Ein Stromschlag von 220 Volt kann einen erwachsenen Mann umhauen und verletzen, aber er muss nicht tödlich sein. Wenn dieser Wollschläger, wie du sagtest, mit mörderischen Absichten an dem Apparat herumgeschraubt hat, musste er als Elektriker das Risiko kennen, dass sein Opfer den Anschlag möglicherweise überlebt. Es sei denn …« Burkhard hielt inne.
»Es sei denn? Was geht dir im Kopf herum?«, wollte Keller wissen.
»Habt ihr den toten Arzt schon obduzieren lassen?«, antwortete Burkhard mit einer Gegenfrage.
»Die Ergebnisse liegen mir noch nicht vor, aber ich erwarte keine Überraschungen. Aus welchen Grund fragst du danach?«
»Weil es mich interessieren würde, ob der Mann einen Herzfehler hatte. Denn mit dem Wissen um diese körperliche Schwäche konnte der Mörder sehr wohl davon ausgehen, dass seine Stromfalle die
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