Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
gleiche Motiv, nur aus verschiedenen Blickwinkeln und Jahren: Isabelle, die verstorbene Tochter der Wollschlägers.
»Sie müssen abgöttisch an ihrer Tochter gehangen haben«, merkte Jasmin Stahl an, deren Blick ebenso an der Bildergalerie haftete.
»Welche Eltern tun das nicht?«, meinte Keller.
Die Kommissarin nickte traurig. »Ja, das ist wohl wahr. – Und nun? Wonach suchen wir?«
Das wusste Keller zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht zu sagen. Er ordnete seiner Mitarbeiterin an, sich bei der nochmaligen Durchsuchung der Räume von ihrem Instinkt leiten zu lassen und bei allem Meldung zu machen, was ihr in irgendeiner Weise auffällig erschien.
Doch an Auffälligkeiten mangelte es im Haushalt der Wollschlägers. Keller stieß weder in der Küche, noch im Bad oder dem Schlafzimmer auf Überraschungen oder Dinge, die es nicht auch in jeder anderen Wohnung geben würde. Im Arbeitszimmer ging Keller zunächst eine Reihe von Aktenordnern durch, die Steuerunterlagen, Kaufverträge und Familiendokumente enthielten. Drei prall gefüllte Ordner waren wiederum Tochter Isabelle gewidmet. Während der erste mit Zeugnissen, Sporturkunden und kopierten Schulaufsätzen gefüllt war, umfassten die beiden anderen den Schriftverkehr mit Krankenkasse und Anwaltskanzlei, datiert auf den Zeitraum nach der misslungenen Operation.
Anschließend stellte sich Keller vor das ausladende Bücherregal im Arbeitszimmer und studierte die Titel auf den Buchrücken. Bei den meisten Bänden handelte es sich um Fachliteratur. Die Erkenntnis, dass viele der Sachbücher sich dem Thema Elektrotechnik widmeten, erregte zwar kurzzeitig Kellers Aufmerksamkeit. Doch er musste sich vor Augen halten, dass diese Lektüre in Wollschlägers Berufsbild passte und die Existenz der Bücher allein noch keinen Beweis für die Beteiligung am Stromanschlag im Klinikum lieferte. Keller stöberte noch in einer Fototasche und untersuchte die darin lagernde Spiegelreflexkamera und mehrere Objektive, verlor aber bald das Interesse.
Ein neues Flämmchen der Hoffnung keimte auf, als Jasmin Stahl in einer Abstellkammer auf ein Regal voller Werkzeuge wie Lötkolben und Kneifzangen sowie sorgsam in Körben verstaute Bastelmaterialien für den Hobbyelektroniker stieß.
»Chef!«, rief sie und hielt einen Strang dünner Kabel mit Isolationen und verschiedensten Farben in die Höhe. »Vielleicht hat er hiermit den Bau seiner Stromfalle geübt.«
Keller sah sich die kleine Elektrowerkstatt sorgsam an, schüttelte dann aber den Kopf. »Das sind alles lose Teile. Solange wir nicht wenigstens einen Bauplan des Narkosegeräts finden, den er sich zur Vorbereitung seiner Tat herangezogen hat, können wir ihm nichts nachweisen.«
»Dann sehe ich schwarz. Seinen Computer haben die Kollegen nämlich längst durchforstet und den Browserverlauf verfolgt. Wollschläger hat nicht nach medizinischen Apparaturen gegoogelt, zumindest nicht von seinem eigenen Rechner aus.«
Keller spürte einen Anflug von Missmut, als er die Suche fortsetzte. Bis auf die Kleiderschränke hatten sie innerhalb der nächsten eineinhalb Stunden die komplette Einrichtung auf den Kopf gestellt. Sie hatten Kissen und Matratzen abgeklopft, hinter jedem der insgesamt 78 Bilder nachgesehen, Topfdeckel angehoben und sogar den Inhalt der Tiefkühltruhe inspiziert.
Nichts! Nirgends fanden die beiden auch nur den kleinsten Hinweis darauf, dass Wollschläger seine Tat oder Taten vorbereitet hatte, dass er recherchiert und Material gesammelt hatte.
»Dann also noch die Kleiderschränke«, spornte er seine Kollegin und sich selbst zum Weitermachen an.
Während sich Keller den Herrenschrank vornahm und zwischen Oberhemden, Krawatten und Feinrippunterwäsche wühlte, tastete Jasmin Stahl Kleider und Blusen ab.
Auch diese letzte Option schien ergebnislos zu verstreichen. Bis Keller sich zum Schluss die Schuhe des Hausherrn vornahm, die Wollschläger säuberlich in ihren Originalkartons lagerte. Während die ersten drei Kartons wie erwartet jeweils ein Paar Herrenschuhe enthielten, wartete die letzte und unterste Box mit einer Offenbarung auf:
»Donnerwetter!«, entfuhr es Keller, als er seiner Kollegin den Inhalt in Form von Fotoabzügen, handschriftlichen Notizen und einzelnen Dokumenten entgegenhielt. »Wie konnten die Kollegen bloß so nachlässig sein und das hier übersehen?«, fragte er zornig und lieferte selbst eine naheliegende Antwort: »Wahrscheinlich haben sie nur in den obersten beiden Kartons
Weitere Kostenlose Bücher