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Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Familienpakt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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nachgeschaut und sich den Rest gespart.«
    »Anzunehmen, ja. Kann schon mal passieren im Alltagsstress«, sagte Jasmin Stahl, ging in die Hocke und nahm sich den Inhalt der Kiste vor. Wie bereits seit Betreten der Wohnung trug sie wieder Handschuhe, um keine eigenen Fingerabdrücke zu hinterlassen oder Spuren zu verwischen.
    Keller grummelte noch eine Weile vor sich her, war aber erleichtert, endlich auf eine Spur gestoßen zu sein.
    Diese Spur erwies sich schon nach einer kurzen, oberflächlichen Sichtung des Materials als sehr heiß: Die Fotos, die Wollschläger offenbar aus größerer Distanz mit seinem Teleobjektiv geschossen hatte, zeigten Personal des Südklinikums. Auf Anhieb erkannte Keller die getötete Krankenschwester, Narkosearzt Dr. Beierlein, Chirurg Dr. Bartels und auch andere Personen wieder, mit denen er im Zuge der Ermittlungen zu tun gehabt hatte. Wollschläger schien sie über mehrere Monate hinweg mit der Kamera verfolgt zu haben. Darauf deuteten auch seine Notizen hin, die jeweils mit Datum versehen waren und Tagesabläufe der Ausgespähten enthielten.
    Eine weitere, zunächst unbeachtete Entdeckung ließ seinen Herzschlag für einen winzigen Moment aussetzen: Jasmin Stahl hielt ein Rezept zwischen Daumen und Zeigefinger. Es war ausgestellt auf den Namen Frank Beierlein, wohl unterzeichnet und abgestempelt von dessen Hausarzt, einem Dr. Niederndorfer.
    »Ein Rezept für ein verschreibungspflichtiges Herzpräparat«, erklärte die Kommissarin mit leuchtenden Augen. »Wie ist Wollschläger da dran gekommen?«
    »Gestohlen? In einem unaufmerksamen Moment entwendet? Vielleicht hat er sich in der Apotheke hinter Beierlein gestellt und zugegriffen, als sich die Gelegenheit bot«, mutmaßte Keller und resümierte zufrieden: »Jedenfalls wissen wir nun, dass Wollschläger seine Opfer ausgekundschaftet und ihre Schwächen ausgelotet hat, bevor er zuschlug. Damit kriegen wir ihn dran! Für mich gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass er auch den zweiten Todesfall zu verantworten hat.«
    »Wenn er das ganze Ärzteteam so akribisch ausspioniert hat, kann das ja noch heiter werden«, meinte Jasmin Stahl sorgenvoll.
    Keller führte seinen Zeigefinger zur Unterlippe und rieb sie grüblerisch. »Auszuschließen ist es nicht.« Er fasste einen Entschluss: »Ich muss noch einmal mit jemandem aus Isabelles OP-Team sprechen. Am besten mit dem Chef der Truppe, dem Chirurgen.«
    »Dr. Bartels?« Die Kommissarin sah ihn fragend an. »Aber doch nicht heute Abend?«
    »Aber sicher!«, ließ Keller keine Zweifel aufkommen.

12

    Dr. Steffen Bartels bewohnte die dritte Etage eines schmucken Appartementblocks am Schmausenbuck, unweit des Tiergartens. Wie Keller mit leise anklingenden Neidgefühlen registrierte, verfügte die hier lebende Klientel über nicht unerhebliche Finanzmittel. Dafür sprach die mondäne Wohnanlage selbst, aber auch der beachtliche Fahrzeugpark, der am Fahrbahnrand abgestellt war: mehrere protzige SUVs, ein Porsche, ein Jaguar. Weitere rollende Reichtümer vermutete er in der Tiefgarage, zu der eine akribisch vom Schnee befreite Einfahrt abwärts führte.
    Bartels öffnete nach dem ersten Klingeln. Der groß gewachsene, schlanke Arzt, der leger in hellgrauer Baumwollhose und weit fallendem, weißem Hemd gekleidet war, bat Keller und Jasmin Stahl in seine Wohnung. Er geleitete sie durch einen großen, ebenso zweckmäßig wie elegant eingerichteten Wohnraum mit angeschlossener offener Küche bis zu einer Sitzecke mit schwarzen Designersofas und einem Fernsehsessel, den allein Keller auf einen Wert von zwei seiner Monatsgehälter schätzte. In einem offenen Kamin loderte ein Feuer und verbreitete eine angenehme Wärme.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Bartels, ließ sich in den Sessel fallen und schlug lässig die Beine übereinander. »Gibt es etwas Neues bei Ihren Ermittlungen?«
    Keller brachte den Arzt kurz und sachlich auf den aktuellen Stand, ohne zu viele Details preiszugeben. Bartels hörte sich den Vortrag an, wobei er ruhig und besonnen wirkte, wie ihn Keller vom Tag des ersten Attentats in Erinnerung behalten hatte: jener prekären Situation, als Bartels mitten in der allgemeinen Aufregung Erste Hilfe bei der verletzten Krankenschwester geleistet hatte.
    »Mit anderen Worten«, meinte Bartels mit angenehm warmer Stimme, die nach Ansicht von Jasmin Stahl mit seinen dunklen Augen harmonierte, »Sie versuchen, das kriminelle Potenzial des Messerstechers auszuloten. Sie sind drauf und

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