Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Gedanken offen.
Denise lächelte verkniffen. »Das ist gut, denn bei den meisten Männern hört der Spaß auf, wenn ich sage, dass ich das Tanzen nicht für sie aufgebe.«
»Verstehe. Die Toleranz endet, sobald männliches Besitzdenken die Oberhand gewinnt. Keine Sorge, bei mir kann dir das nicht passieren. Dafür kannst du aber auch nicht allzu viel von mir erwarten: Ich stehe nämlich nicht gerade im Ruf, eine treue Seele zu sein.« Während er das erläuterte, um seinen Standpunkt klarzumachen, merkte er, wie ihre Gedanken schon wieder flüchteten. Nach wie vor lag verzagte Beklommenheit in ihrem Blick. »Gibt es noch etwas anderes, das du mir sagen möchtest?«, fragte er und strich ihr über die Stirn.
»Ja«, antwortete Denise nun ziemlich schnell. »Es betrifft mich allerdings nicht selbst, liegt mir aber am Herzen.« Sie berichtete von einer guten Freundin, Anne. Anne sei ebenfalls in der Table-Dance-Szene unterwegs, aber nicht aus freien Stücken, sondern weil ihr Freund sie dazu dränge. Dieser Freund verlange noch ganz andere Dinge von Anne. Dinge, die Anne nur ihm zuliebe tue. Aus Zuneigung, aber auch weil sie sich vor ihrem Freund fürchte.
Die übliche Mischung aus Liebesentzug und Gewaltandrohung, dachte sich Jochen, während er weiter zuhörte. Dieser ominöse Freund schien mit den Methoden eines Zuhälters zu arbeiten.
»Anne will aussteigen«, berichtete Denise. »Sie hat sich bei mir ausgeheult. Sie ist fix und fertig. Innerlich ist sie längst soweit, dass sie Rolf verlassen will.«
»Rolf heißt er?«, hakte Jochen ein.
»Ja, Rolf. Er ist ein Ekel.« Denises Gesicht verzog sich angewidert. »So ein Macho-Arschloch ist mir nie zuvor begegnet. Aber Anne kommt nicht von ihm los. Sie hat es immer und immer wieder versucht. Doch wenn es drauf ankommt, kippt sie um.«
»Du machst dir Sorgen um deine Freundin, ja?«, erkundigte sich Jochen einfühlsam.
»Ja. Vor allem, weil die beiden jetzt völlig abticken. Es ist kriminell, was sie treiben. Absolut kriminell.«
»Kriminell?« Bei diesem Stichwort läuteten bei Jochen sämtliche Alarmglocken. Denn Spaß am Sex und allen seinen Spielarten war die eine Seite, für die sich Jochen offen und unvoreingenommen gab. Kriminalität aber galt ihm von Kindesbeinen an als der Feind und das Verderben schlechthin. Er war in einem Haus aufgewachsen, in dem das Familienoberhaupt sich der Kriminalitätsbekämpfung verschrieben hatte, mit Haut und Haar. Er hatte seinen Vater stets für seinen unermüdlichen Einsatz bewundert und ihn als Ritter der Gerechtigkeit verehrt, auch wenn er ihm dies spätestens seit seinem 15. Lebensjahr nicht mehr gesagt hatte. Doch seine Aversion gegen Gesetzesverstöße jedweder Art hatte sich bis heute gehalten. »Worauf willst du hinaus?«, fragte er eindringlich.
»Anne arbeitet im Hauptberuf als Krankenschwester im Südklinikum«, kam Denise endlich auf den Punkt. »In der Chirurgie. Dort, wo sich die beiden Todesfälle ereignet haben, von denen gerade so viel in der Zeitung steht.«
Jochen sah sie erwartungsvoll an. »Rede bitte weiter: Hat deine Freundin beziehungsweise ihr Freund Rolf etwas mit diesen Todesfällen zu tun?«
»Nicht direkt, wahrscheinlich«, wich Denise aus. »Ich weiß nichts darüber, habe aber ein schlechtes Gefühl.«
»Mmmh.« Jochen stützte sein Kinn auf seine verschränkten Finger. »Kannst du nicht etwas konkreter werden?«
»Eben nicht«, sagte Denise und klang verzweifelt. »Anne rückt mit nichts raus. Ich weiß nur, dass sie seit den beiden Todesfällen total aufgeschreckt ist und sich Sorgen um Rolf macht. Anstatt froh zu sein, dass er in Schwierigkeiten steckt! Sie sollte ihn endlich in die Hölle schicken!«
»Denise«, sagte Jochen sanft und eindringlich zugleich. Er griff nach ihren Händen. »Warum erzählst du mir das? Weil du dich ausquatschen willst und in mir einen Vertrauten siehst?« Er legte eine rhetorische Pause ein. »Oder weil du weißt, dass mein Vater bei der Kripo ist? Weil du möchtest, dass ich ihm einen Tipp gebe?«
Denises Finger bildeten in Jochens Händen eine Faust. »Ja und nein«, rang sie sich ab. »Kannst du deinen Vater auf diese Spur bringen, ohne Anne zu verraten?« Sie sah ihn aus großen Augen an. »Und ohne mich zu verraten?«
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Die Schlichtheit seines Büros und das weitgehende Fehlen persönlicher Gegenstände und Bilder hatte Konrad Keller stets daran gemahnt, dass es einen wichtigen Unterschied zwischen Arbeit und Privatleben gab und dass er
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