Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
probierte er es mit dem Handy, doch sein Vater hatte seines offenbar abgeschaltet. Nur die Mailbox meldete sich. Jochen hinterließ eine Nachricht:
»Hallo, ich bin’s: Jochen. Hast du Lust, die Mittagspause mit mir zu verbringen? Wir können einen Bagel im ›Mr.BLECK‹ am Weißen Turm essen, oder wir gehen runter in die Sushi Bar im U 1. Meld dich einfach. Ich warte vorm Präsidium.«
Das Warten wurde Jochen durch die an seinen Beinen emporkletternde Kälte ebenso erschwert wie durch seine innere Unruhe, die von einem Unbehagen wegen des bevorstehenden Gesprächs genährt wurde. Denn ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken daran, als Informant für die Polizei tätig zu werden – selbst wenn es sich hier um Vater und Sohn handelte.
Normalerweise verwendete er Informationen dieser Güteklasse zuallererst als Grundlage für eine Recherche, um daraus einen Artikel für seine Zeitung zu verfassen. Wenn es noch dazu um ein Kapitalverbrechen ging, eine Mordsache, dann versprach ihm ein Informationsvorsprung vor der Polizei die Anerkennung seiner Kollegen, Lob vom Chef, viele zusätzlich verkaufte Zeitungen und somit einen Prestigezuwachs als Journalist. Für seine Karrierepläne wäre das wie frisches Öl fürs Getriebe, es liefe wie geschmiert.
Aber leider hatte er – ganz gegen seine Überzeugung – Denise in die Hand versprochen, ihren Verdacht seinem Vater weiterzutragen und keine Zeitungsstory daraus zu machen. Wäre er seinem ersten Impuls gefolgt, hätte er sich diese strippende Krankenschwester erst einmal selbst vorgeknöpft und erst danach seinen Vater in Kenntnis gesetzt. Doch er wollte das Vertrauen von Denise nicht enttäuschen, denn sie bedeutete mehr für ihn als nur ein neues Bettverhältnis.
»Na, junger Mann, ganz in Gedanken versunken?«
Jochen schreckte auf, als er sich einem schmalen Mann im dunklen Wintermantel gegenüber sah, auf dessen Hutkrempe sich dicke weiße Schneeflocken sammelten. »Daddy?«, fragte er überflüssigerweise und drückte seinen Vater zur Begrüßung fest an sich. »Schön, dass du dir Zeit nimmst.«
»Schön, dass du dir Zeit nimmst«, konterte Konrad Keller. »Soviel ich weiß, ist das das erste Mal seit – lass mich schätzen – gefühlten fünf Jahren, dass du mit mir Mittag machen willst. Hast wohl auch spitzgekriegt, dass heute mein letzter Tag ist, was?«
»Nein«, sagte Jochen verdutzt. »Nein, wirklich … – Ist es schon so weit? Ich dachte, du hättest noch ein paar Wochen.«
»Habe ich nicht. Aber mach dir nichts draus: Ich war genauso überrascht wie du, als ich heute früh ins Büro kam und mein Nachfolger die Namensschilder auswechseln ließ.«
Keller senior entschied sich für Bagels statt Sushi, sodass sie wenig später an einem Tisch mit Blick auf eine mit Puderschnee gezuckerte, weitläufige Brunnenanlage, vom Volksmund Ehekarussell getauft, saßen. Jochen spürte, dass seinem Vater nicht der Sinn nach Smalltalk stand und sparte sich deshalb unnötiges Herumgerede. Kaum hatten sie ihre Bagels verspeist, berichtete Jochen von Krankenschwester Anne und der vagen Möglichkeit, dass sie und ihr Freund Rolf etwas mit den Todesfällen im Südklinikum zu tun haben könnten. Da er seine Quelle nicht von sich aus nannte, hakte sein Vater nicht nach. Denn er respektierte den grundgesetzlich verankerten Informantenschutz der Presse. Die persönliche Meinung seines Sohnes interessierte ihn aber trotzdem:
»Taugt diese Information etwas?«
Jochen rieb sich das Kinn. »Ich glaube ja. Wenigstens solltest du der Spur nachgehen.«
»Na, dann schieß los: Was kannst du für Details bieten?«
»Ich fürchte, nur sehr wenige: Angeblich sollen Anne und Rolf einiges am Laufen haben, was nicht legal ist. Wie es heißt, missbrauchen sie Annes Befugnisse als Krankenschwester, um mit Medikamenten zu dealen.«
»Darin erkenne ich aber keinen Zusammenhang zu den Morden«, drängte Keller seinen Sohn, noch konkreter zu werden.
»Das mit den Medikamenten ist nicht alles. Sie treiben wohl auch ein lukratives Spielchen, indem sie Kollegen und Patienten ausspionieren und aus ihren Erkenntnissen Gewinn schlagen.«
»Das verstehe ich nicht. Wie soll das funktionieren?«
»Genauer kann ich es dir nicht sagen. Ich habe lediglich erfahren, dass sie sich dafür bezahlen lassen, Informationen über Personen innerhalb des Klinikums zu beschaffen und zu verkaufen.«
»Was macht das für einen Sinn? Wer zahlt für solche Informationen?«
»Ich weiß es doch selbst nicht,
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