Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
beides nicht vermischen wollte. Ihm war es ein Gräuel, wie einige Kollegen aus ihren Diensträumen ein heimeliges Wohnzimmer machten und sich damit vorzugaukeln versuchten, dass das Präsidium eine Art zweites Zuhause sein konnte. Nein, Keller stand für eine klare Trennung zwischen Dienst und Freizeit ein – weshalb ihm die unerwartete Verschönerung seines Büros eher erzürnte anstatt zu freuen.
Während er unter dem Beifall einer ganzen Schar gut gelaunter Ermittler den Raum betrat, fuhren seine Blicke die Wände ab, die von oben bis unten mit grellbunten Seiten aus Reiseprospekten behängt waren. Fotos von Palmenstränden, Bikinimädchen und Pools mit azurblauem Wasser sprangen ihn an, über seiner Schreibtischlampe hing hawaiianischer Blumenschmuck, auf dem Fußboden hatte ein Witzbold feinen weißen Sand verstreut. Vom Fensterbrett dröhnten aus einem CD-Player italienische Schlager in ohrenbetäubender Lautstärke.
Dass Polizeiobermeister Brunner, als Partyhengst verschrien, ein schrilles Hemd in Karibikfarben über seiner Uniform trug, wunderte Keller nicht sonderlich. Wohl aber, dass Jasmin Stahl ein Baströckchen über ihre Jeans gezogen hatte und einen ausgelassenen Tanz andeutete.
»Glückwunsch, Chef!« Sie legte ihm, ganz ungewohnt, ihre Arme um den Hals und küsste ihn auf beide Wangen. »Heute Abend haben Sie es geschafft. Dann sind Sie ein freier Mann!«
Keller wurde von der Wucht der Erkenntnis dermaßen stark getroffen, dass er sich geradezu panisch von der Kommissarin löste und zwei Schritte zurücktaumelte. Sollte heute schon sein letzter Arbeitstag sein? Der allerletzte? Hatte er diese Tatsache so sehr verdrängt, dass er den Termin aus seinem inneren Kalender gestrichen und vollständig verbannt hatte? Doch ein Blick auf das Kalenderblatt an der Wand führte ihm unmissverständlich vor Augen, dass sein Ausscheiden ein nicht länger zu leugnendes Faktum war.
»Sie wollten sich wohl still und leise aus dem Staub machen, was?«, stichelte Brunner und grinste feist. »Nichts da. Kommt nicht in Frage!«
Während sich Keller, noch immer leicht verstört, im Kreise der Mitarbeiter umsah, kam ihm siedend heiß die Erkenntnis, dass er keinerlei Vorkehrungen für ein Ausstandsfest getroffen hatte. Er war am heutigen Tag im wahrsten Sinne des Wortes mit leeren Händen zur Arbeit gekommen.
Jasmin Stahl erkannte den Unmut ihres Vorgesetzten und befreite ihn von seinen Sorgen, indem sie einer bereitstehenden Kollegin einen Wink gab. Diese öffnete die Tür zum Nebenzimmer. Keller erhaschte, abermals völlig überrascht, einen Blick auf zwei zusammengeschobene Schreibtische, auf denen Tabletts mit Partyhäppchen und Salatschüsseln standen. Daneben stapelten sich Getränkekästen.
»Ihre Frau hat alles Nötige veranlasst«, raunte Jasmin ihm zu und gab ihm mit einem auffordernden Zwinkern zu verstehen, er möge seine Scheu ablegen und in die Feierlaune der anderen einstimmen.
»Also gut«, gab sich Keller einen Ruck, nahm sich eine Flasche alkoholfreies Bier aus einem der Kästen und verkündete: »Das Büfett ist eröffnet!«
Mit Abschiedskarten und einem Fotoalbum, das wichtige Stationen seiner Karriere ebenso enthielt wie verwackelte Bilder von lange zurückliegenden Betriebsausflügen, drückten Kellers berufliche Weggefährten ihm ihre Verbundenheit und Wertschätzung aus. Das ging ihm nahe, mehr als ihm lieb war. Besonders große Freude bereitete ihm ein mit Schleifchen und Luftballons verzierter Werkzeugkoffer, mit original VW-Werkzeug, maßgeschneidert für seinen T1.
»Danke«, sagte er und spürte zu seinem Befremden, wie sich eine Träne aus dem Augenwinkel löste.
Es ging hoch her im K11, und irgendwie gewann Keller den Eindruck, dass trotz des Alkoholverbots im Dienst auch Flaschen mit hochprozentigem Inhalt die Runde machten. Sicherheitshalber wollte er deshalb die Tür zum Flur schließen. Als er die Klinke schon in der Hand hielt, bemerkte er einen weiteren Gast, der es offenbar vorzog, draußen zu bleiben:
»Schnelleisen?«, fragte Keller. »Warum treten Sie nicht ein? Kommen Sie, feiern Sie mit uns!« Er wollte den hochgewachsenen Mann bereits in der Armbeuge fassen und mit in die Partyrunde einführen, doch der sträubte sich. Erst jetzt sah Keller einen zweiten Mann, der dicht an der Wand stand und mit einem Schraubenzieher hantierte: Es handelte sich um Herrn Jankowsky, den Hausmeister.
»Tut mir leid«, sagte Schnelleisen. »Ich habe keine Zeit zum Feiern.«
»Das sehe
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