Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Informationen verfügen, die uns bei unseren Ermittlungen weiterhelfen können«, unternahm Keller einen vorsichtigen Einstieg in sein Verhör.
Die hübsche Krankenschwester antwortete nicht. Stattdessen nahm sie den Becher aus dem Automaten und hielt ihn Jasmin Stahl entgegen. »Halten Sie mal?«, fragte sie freundlich.
Ehe die Kommissarin begriff, was vor sich ging, nahm sie den Becher mit instinktiver Bewegung an. Im selben Moment holte Anne Petrowsky mit dem nun freien rechten Arm aus und hub ihre Faust in den Magen des völlig überrumpelten Keller. Mit flinkem Ausfallschritt schlüpfte sie zwischen den beiden hindurch und rannte in den Flur.
Während Keller vornübergebeugt schnaufte und fluchte, ließ Jasmin Stahl den Colabecher fallen und spurtete der Flüchtigen hinterher. Doch die andere war verflucht schnell! Bevor die Kommissarin genügend Tempo gewonnen hatte, verschwand Anne Petrowsky hinter der nächsten Ecke. Jasmin Stahl setzte alles daran, schneller zu laufen. Aber anscheinend hatte sie in der ebenso sportlichen Anne ihre Meisterin gefunden.
Nach der nächsten Abzweigung mündete der Flur in einem Foyer, das von Blumenrabatten, Sitzecken und verstreut herumstehenden Patienten mit Gehwagen, rollenden Infusionsständern oder Krücken gefüllt war. Anne Petrowsky nutzte die Anordnung für ein Hindernislaufen, in dem sie eindeutig die Nase vorn hatte. Jasmin Stahl fiel zurück, nachdem sie über den Gips eines Rentners gestolpert war, der unversehens seine Beine ausgestreckt hatte. Sie rappelte sich wieder auf, orientierte sich und fand Anne am anderen Ende des Foyers neben einem Aufzug wieder.
Im wilden Zickzack rannte die Kommissarin zwischen den Patienten hindurch auf die Flüchtige zu. Doch sie erkannte schon aus fünf oder sechs Metern Entfernung, dass sie zu spät ankommen würde. Denn die Krankenschwester stand bereits im Lift, dessen silbermatte Türen sich mit leisem Surren zu schließen begannen.
»Sch …!« Jasmin Stahl riss sich zusammen, als sie einen kleinen Jungen mit Kopfverband neben sich bemerkte, der die um Atem ringende Kommissarin argwöhnisch ansah.
Als sich Konrad Keller von dem kleinen Schock erholt hatte und wieder atmen konnte, begab er sich auf kürzestem Weg über die Feuertreppe ins Untergeschoss und steuerte ohne Umweg die Lifte am Haupteingang an. Die Chance, dass er die Krankenschwester hier erwischen würde, stand zwar eins zu 20 oder mehr, doch ihm blieb nicht die Zeit, über weitere Optionen nachzudenken.
Unmittelbar vor den Aufzugtüren baute er sich auf, die Beine leicht gespreizt, halb verdeckt durch einen Springbrunnen. Zweimal öffneten sich die Fahrstuhltüren, doch es kamen ihm unbekannte Klinikumbeschäftigte, Patienten und Besucher entgegen. Als sich die dritte Lifttür öffnete, atmete er auf: Anne Petrowsky hetzte aus der Kabine, sah sich hektisch nach allen Richtungen um und machte Anstalten, das Gebäude durch das Hauptportal zu verlassen.
Diesmal hatte Keller das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Mit einem ausholenden Schritt stellte er sich ihr in den Weg und bekam sie am Oberarm zu packen.
Zehn Minuten später befanden sich Keller, Jasmin Stahl und Krankenschwester Anne abermals in der Teeküche. Das Ebenbild von Angelina Jolie wirkte nun noch verzweifelter und eingeschüchterter als zuvor.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte sie mit heiserer Stimme. »Dürfen Sie mich überhaupt mit Gewalt festhalten? Haben Sie ein Recht dazu?«
»Gewalt?« Keller fuhr sich mit der flachen Hand über seine Glatze. »Wir möchten Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Ihre Pflicht als Staatsbürgerin ist es, sich diese Fragen anzuhören. Von Gewalt kann da gar keine Rede sein.«
Anne schob den Ärmel ihres Schwesternkittels zurück. »Sehen Sie das? Druckstellen, aus denen ein paar fiese blaue Flecken werden! Die habe ich von Ihnen, Sie brutaler Bulle!«
»Erst Widerstand gegen die Staatsgewalt und jetzt Beamtenbeleidigung – das reicht aus, um Sie mit aufs Revier zu nehmen«, machte Jasmin Stahl deutlich.
»Wir können aber auch wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen und damit aufhören, uns gegenseitig zu drohen und zu misstrauen«, beschwichtigte Keller. Nun sprach er die Krankenschwester direkt an: »Frau Petrowsky, bitte sagen Sie uns die Wahrheit. Stimmt es, dass Sie und Ihr Freund Hintergründe über die beiden Todesfälle kennen, die Sie den Ermittlungsbehörden vorenthalten?«
Anne schüttelte energisch den Kopf. »Nein, ich weiß gar
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