Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
ich«, gab Keller argwöhnisch zurück. »Sie müssen Herrn Jankowsky bei der Arbeit beaufsichtigen. – Was tut er denn da?«
Schnelleisen räusperte sich, bevor er antwortete. »Herr Jankowsky wechselt das Namensschild aus. Sie brauchen es ja nicht mehr in Ihren letzten Stunden.«
Innerlich hoch verärgert und mit zusammengebissenen Zähnen brachte Keller die Abschiedsparty mit gezwungenem Lächeln hinter sich und drückte jedem einzelnen seiner Gäste seinen großen Dank aus. Kaum hatte sich sein Büro geleert, bat er Jasmin Stahl, das Baströckchen abzulegen.
»Wir haben heute noch einiges vor«, kündigte er der leicht beschwipsten Kommissarin an. »Besorgen Sie Wollschlägers Schuhkarton aus den Asservaten. Wir fahren noch einmal in die Mannertstraße.«
Mit schwer zu zügelnder Ungeduld wartete Keller das Eintreffen von Dr. Raabe ab. Der beleibte Anwalt schien die Ruhe in Person zu sein, als er im Verhörraum der Justizvollzugsanstalt mit beinahe provokanter Gemächlichkeit seine Akten ausbreitete.
Während Raabe alle Zeit der Welt zu haben schien, brannte es Keller unter den Nägeln, sodass er die Prozedur abkürzte. Kaum wurde der Untersuchungshäftling vorgeführt und hatte Platz genommen, ließ sich Keller von Jasmin Stahl den in Wollschlägers Wohnung sichergestellten Karton aushändigen. Er nahm den Deckel ab und stürzte den Inhalt mit einem Schwung auf die Tischplatte. Fotos und Notizen flogen wild durcheinander.
»Was sagen Sie dazu, Herr Wollschläger?«, fragte Keller mit deutlich hörbarer Aggressivität in der Stimme.
Tatverdächtiger und Anwalt machten gleichermaßen große Augen. Während Wollschläger Unverständliches zu stottern begann, fasste sich Raabe schnell wieder und stellte klar: »Sie hätten mich über die Existenz neuer Beweismittel unverzüglich in Kenntnis setzen müssen , Herr Keller!«
»Das tue ich hiermit«, gab Keller zurück, ohne mit der Wimper zu zucken.
»So geht das nicht. Das verstößt gegen jede Regel.« Der dicke Anwalt lief puterrot an. »Sie können meinen Klienten nicht dermaßen überrumpeln!«
»Seine Opfer wurden von ihm auch überrumpelt«, rückte Keller den Sachverhalt zurecht. »Und dass es niemand anderes als Wollschläger war, der hinter den Taten steckte, steht spätestens seit Auftauchen dieser Beweismittel fest.«
Jasmin Stahl übernahm den Part, Anwalt und Häftling über die genaueren Umstände aufzuklären, wie und wo sie auf den Karton mit seinem brisanten Inhalt gestoßen waren und benannte das gestohlene Rezept als entscheidenden Hinweis auf Wollschlägers Täterschaft.
»Sie müssen dazu gar nichts sagen«, empfahl Raabe daraufhin seinem Klienten. »Vorher sollten wir noch einmal unter vier Augen reden.«
Doch Wollschläger, totenbleich, setzte zu einer Erklärung an: »Das war ich nicht«, sagte er stockend.
»Was waren Sie nicht?«, fragte Keller streng. »Ich bitte Sie, Herr Wollschläger: Ich habe Sie selbst mit dem blutigen Messer in der Hand erwischt! Es ist zwecklos zu leugnen.«
»Nein, das meine ich nicht«, sagte Wollschläger leise. »Der zweite Tote – mit dem habe ich nichts zu tun.«
»Sie wussten um die Herzschwäche von Dr. Beierlein«, hielt ihm Jasmin Stahl vor Augen. »Und Sie verfügen über die Kenntnisse, ein Narkosegerät zu manipulieren.«
»Trotzdem«, entgegnete Wollschläger nun mit mehr Nachdruck. »Den Tod dieses Arztes können Sie mir nicht anhängen. Ich bin es nicht gewesen.«
»Herr Wollschläger«, sagte die Kommissarin nun mit ruhigerem Ton. »Die Beweislast gegen Sie ist erdrückend. Wenn Sie jetzt gestehen, kann sich das vor Gericht mildernd für Sie auswirken.«
»Diese Bewertung überlassen Sie bitte mir, junge Frau«, schaltete sich Raabe wieder ein. »Ich untersage Ihnen die Versuche, meinen Klienten suggestiv zu beeinflussen.«
»Sie untersagen uns gar nichts!«, redete Keller Tacheles. »Wenn Herr Wollschläger eine Aussage zu machen hat, werden Sie ihn nicht daran hindern.«
Raabe hob schnaubend zu einer Widerrede an, ließ es aber bleiben, als Wollschläger erneut das Wort ergriff:
»Ich bleibe bei allem, was ich in den ersten Verhören gesagt habe. Aber dieser neue Todesfall … – Nein und nochmals nein. Ich bin nicht der, nach dem Sie suchen.«
15
Sein Vater war nicht in seinem Büro. Das bekam Jochen vom Pförtner zu hören, der hinter einer Panzerglasscheibe im Eingangsbereich des Präsidiums saß. Man erwarte ihn aber gegen Mittag zurück, erfuhr Jochen. Daraufhin
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