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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Weiss
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feststellen?«
    »Wenn die Beschwerden in den nächsten Jahren so bleiben, was wird das für eine Auswirkung auf die Beziehung zu Ihrem Mann haben?«
    »Wenn alles noch viel schlimmer würde?«
    »Wenn Sie sich eines Tages einfach grundlos entschließen, morgens aufzustehen, lebhaft und fröhlich zu sein und eine Reihe von Dingen zu unternehmen, die Sie gerne tun, was meinen Sie, wie wird Ihr Mann darauf reagieren?«
    Wünschbare Alternativen lassen sich in Fragen einbetten:
    »Wenn Sie sich entscheiden würden, sich schneller zur Wehr zu setzen, wen würde das am meisten betreffen?«

    »Wie würde derjenige reagieren?«
    »Würden Sie dann aufgeben oder sich auf die Hinterbeine stellen?«
    »Wer glaubt wohl am ehesten, dass Sie sich gut wehren kön-
    nen?«
    »Wie kommt der dazu, das zu vermuten?«
    »Angenommen, das Problem ist gelöst, wie sieht dann wohl ein
    Film über Ihr Leben aus? Beschreiben Sie mir das bitte?«
    Die aufgeführten Fragebeispiele sollen Anregungen geben, wie in der Einzelsituation langsam die Beziehungsrealität lebendig werden kann. Für den Therapeuten ergibt sich so ein plastisches Bild von den Beziehungsstrukturen eines Patienten und der Bedeutung seines Symptoms innerhalb dieser Beziehungen.
    Durch die Fragen bleibt der Therapeut neutral. Er kann so verschiedene Möglichkeiten durchspielen, ohne direkt Stellung zu beziehen. Statt also zu sagen: »Warum werden Sie denn nicht wütend? Ein anderer in Ihrer Situation würde bestimmt um sich schlagen«, kann er Folgendes äußern: »Gesetzt den Fall, Sie würden Ihrem Mann gegenüber wütend werden, was wäre dann anders? Wie würde Ihr Mann reagieren? Wie wäre das für Sie?«
    Dadurch bleibt das Gespräch im Fluss, Handlungsalternativen können betrachtet und wieder verworfen werden, Anregungen können vom Therapeuten wie nebenbei formuliert werden. Gleichzeitig vermeidet der Therapeut, mit dem Patienten in einen Machtkampf verwickelt zu werden.
    Heikle und konfliktträchtige Ansichten lassen sich in ähnlicher Weise durch nicht anwesende Dritte in die Therapie einbringen. Beispielsweise kommt ein Patient zum Psychotherapeuten und behauptet, er wisse beim besten Willen nicht, weswegen er geschickt wurde. Statt mit dem Patienten dies zu problematisieren und über seine innere Abwehr einer Therapie gegenüber zu sprechen, ist es leichter, mit dem Patienten über die möglichen Absichten und Beweggründe des Überweisenden zu spekulieren. Dabei nehme ich in solchen Fällen
eine ausgesprochen »naive« Position ein. Ich pflege dann partout nicht zu verstehen, wieso ein verständiger Kollege einen so offensichtlich kerngesunden Menschen zum Psychotherapeuten schickt. Es dauert nicht lange, dann erklärt der Patient mir, dem »schwer verständigen« Therapeuten, die Zusammenhänge...
    Auch bei Patienten mit rigiden Abwehrstrukturen oder leicht paranoiden Tendenzen erscheint es günstiger, die abgewehrte Seite nicht selbst einzubringen, sondern durch die Patienten selbst formulieren zu lassen. Das gelingt, indem die Patienten die Meinung eines Dritten darstellen. Der Therapeut bleibt auch hier neutral und kann dadurch versuchen, mit dem Patienten über die unterschiedliche Wahrnehmung zu arbeiten:
    »Ihr Hausarzt ist also der Meinung, Ihre Nachbarin habe nichts an Ihnen auszusetzen. Er glaubt auch nicht, dass sie Ihnen schaden will. Wie kommt er zu dieser Meinung?«
    In der systemischen Familientherapie formuliert der Therapeut Hypothesen zu Beginn der Behandlung, um einen ersten Standpunkt gegenüber einem Familiensystem einnehmen zu können, das versucht sein wird, ihm die eigene Sichtweise aufzudrängen. Im Einzelkontakt kann der Therapeut darauf zu Beginn verzichten und erst im Laufe des Gespräches systemische Hypothesen entwickeln. Er hat hier mehr Freiheit für die Entwicklung seiner eigenen Vorstellungen, da der Sog, die Wahrnehmung des Patienten zu übernehmen, geringer ist.
    Trotzdem ist es erforderlich, ständig in mehreren Ebenen zu denken. Patienten bieten im Allgemeinen eine sehr bequeme Denkschiene an, sofern der Therapeut ihrer Sichtweise der Dinge und Beziehungen folgt. Sobald er aber beginnt, die systemische Perspektive einzubringen, ist er gezwungen, zumindest doppelgleisig zu denken. Jede Antwort wird auf ihren Nennwert geprüft und gleichzeitig auf die dahinter verborgene Beziehungsinformation untersucht. Genauso geht es mit den Fragen. Sie zielen oft auf banale äußere Sachverhalte und haben doch – zumindest, wenn das

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