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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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spielte, den der Butler erwähnt hatte? Oh, was für ein gemeines Ränkespiel. Wer mochte der Drahtzieher sein: Surow oder die Beshezkaja? Wahrscheinlich doch sie. Fandorin fröstelte, als er an das nächtliche Geschehen zurückdachte, an den klagenden Schrei, mit dem die getroffene Amalia zusammengebrochen war. Vielleicht war sie nicht tot, nur verwundet? Aber die bittere Kälte im Herzen sagte ihm, daß sie tot war, die wunderbare Königin, tot, und Fandorin würde leben müssen mit dieser schweren Bürde bis ans Ende seiner Tage.
    Es konnte freilich sein, daß dieses Ende bereits nahte. Surow wußte, wer den Mord begangen hatte, er hatte es mitangesehen. Wahrscheinlich jagte man ihn schon, in ganz London, ganz England. Aber warum hatte Surow ihn letzte Nacht überhaupt laufen gelassen? Hatte der Revolver in Fandorins Hand ihn so sehr erschreckt? Fragen über Fragen.
    Noch um einiges rätselhafter war der Inhalt des Portefeuilles.Lange konnte sich Fandorin überhaupt nicht zusammenreimen, was die geheimnisvolle Liste aussagte. Das Nachzählen ergab, daß genauso viele Einträge in den Tabellen wie Briefe vorhanden waren, und alle Angaben stimmten überein. Nur das jeweilige Eingangsdatum war von der Beshezkaja ergänzt worden.
    Es gab insgesamt fünfundvierzig Einträge. Der früheste datierte vom 1. Juni, die letzten drei waren in Fandorins Gegenwart vorgenommen worden. Die in den Briefen angegebenen Registriernummern unterschieden sich deutlich: Nº 47F (Königreich Belgien, Ministerialdirektor, eingegangen am 15. Juni) war die niedrigste, Nº 2347F (Italien, Dragonerleutnant, eingegangen am 9. Juni) die höchste. Aufgegeben waren die Briefe in neun verschiedenen Ländern. England und Frankreich kamen am häufigsten vor, Rußland tauchte nur ein einziges Mal auf (Nº 994F, Wirklicher Staatsrat, eingegangen am 26. Juni, der Stempel auf dem Umschlag gab den 7. Juni an. Doch Vorsicht! Man durfte sich von den verschiedenen Kalendern nicht ins Bockshorn jagen lassen: Der 7. Juni war nach europäischer Rechnung der 19. Also hatte der Brief eine Woche gebraucht.) Die angegebenen Ämter und Ränge waren meist respektabel: Generäle, höhere Offiziere, ein Admiral, ein Senator, sogar ein portugiesischer Minister; doch auch niedrigere Chargen waren darunter, etwa ein Leutnant aus Italien, ein Untersuchungsrichter aus Frankreich und ein Hauptmann der Grenzwache aus Österreich-Ungarn.
    Zu vermuten stand, daß die Beshezkaja als Vermittlerin fungierte, Schaltstelle, lebender Briefkasten sozusagen, ihr oblag es, die eingehenden Informationen zu registrieren und weiterzuleiten – offensichtlich an einen Mr. Nickolas Croog in Petersburg. Man durfte ferner annehmen, daß dieWeiterleitung monatlich erfolgte. Fraglos schien auch, daß vor der Beshezkaja eine andere Person die Rolle der Miss Olsen innegehabt hatte, was der Hotelportier nicht wissen konnte.
    Damit hatte sich das, was fraglos und offensichtlich war, allerdings schon erschöpft, weshalb es dringend geboten schien, auf die deduktive Methode zurückzugreifen. Ach, wäre der Chef in der Nähe gewesen, er hätte die möglichen Versionen aus dem Hut gezaubert, und alles hätte sich wie von selbst gefügt. Doch der Chef war weit weg, und die Schlußfolgerung, die sich seinem Schüler aufdrängte, hieß: Brilling hatte recht, tausendmal recht. Sie hatten es mit einer verzweigten Geheimorganisation zu tun, deren Glieder in vielen Ländern agierten – Punkt eins. Königin Victoria und ihr Mr. Disraeli waren wohl nicht in die Angelegenheit verstrickt – Punkt zwei. (Wozu wurden die Berichte sonst nach Petersburg geschickt?) Was – Punkt drei – die englischen Spione anging, so saß Fandorin mitten in der Tinte, man konnte die Nihilisten hier geradezu riechen. Und die Fäden führten – Punkt vier – nirgendwo anders hin als nach Rußland, wo bekanntlich die schrecklichsten und gnadenlosesten Nihilisten ihr Unwesen trieben. Darunter ein tückischer Werwolf namens Surow.
    So mochte der Chef mit seinen Vermutungen recht haben – dennoch hatte Fandorin seine Spesen nicht ganz umsonst verausgabt. Bestimmt hatte Brilling nicht im bösesten aller Träume vorausgesehen, gegen welch mächtige Hydra er angetreten war. Keine studentischen Hitzköpfe, keine hysterischen Freifräulein mit ihren Bömbchen und Pistölchen, hier operierte ein ganzer Geheimorden, dem Minister, Generäle, Prokuroren und obendrein ein Wirklicher Petersburger Staatsrat angehörten!
    In diesem Moment (es

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