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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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wisperte eine Stimme. »Sieh mich doch an. Mir ist kalt. Laß mich ein!«
    Was zuviel ist, ist zuviel, empörte sich Fandorin, und nahm seinen letzten Stolz zusammen. Ich gehe jetzt hin, öffne die Tür und wache auf. Oder – oder ich sehe, daß ich nicht träume.
    In zwei Sätzen war er bei der Tür, schob den Riegel zurück und riß sie auf. Mehr gab sein Anfall von Entschlossenheit nicht her.
    Auf der Schwelle stand Amalia. Sie trug noch dasselbe weiße Spitzengewand wie gestern, mit einem verschwommenen Blutfleck auf der Brust. Das Haar war vom Regen naß und zerzaust. Am furchtbarsten aber war ihr Gesicht: Es leuchtete in einem Licht, das nicht von dieser Welt war, die Augen zum Stillstand gekommen, erloschen. Jetzt rückte ihre weiße, funkensprühende Hand auf Fandorins Gesicht zu und berührte seine Wange – ganz wie beim letzten Mal. Doch ging von den Fingern eine solche Eiseskälte aus, daß der arme Fandorin zurückfuhr, dem Wahnsinn nah.
    »Wo ist das Portefeuille?« fragte das Gespenst in pfeifendemFlüstern. »Wo ist mein Portefeuille? Die Seele habe ich dafür hingegeben.«
    »Das kriegen Sie nicht!« brach es von Fandorins trockenen Lippen. Er fegte zum Sessel, in dessen Tiefen die gestohlene Mappe verborgen war, ließ sich auf das Polster fallen, versuchte den Sessel gar zu umklammern.
    Das Gespenst trat zum Tisch. Es riß ein Streichholz an, entzündete die Kerze und rief, nun auf einmal in sonorem Ton: »
Your turn now! He’s all yours!
«
    Zwei Männer kamen ins Zimmer gestürmt: der baumlange Morbid (sein Kopf reichte bis an den Türbalken) und ein kleiner, flinker.
    Fandorin war vor Schrecken starr, er zuckte nicht einmal, als der Butler ihm das Messer an die Kehle setzte, während der andere ihn geschickt abtastete und die Deringer im Stiefelschaft fand.
    Morbid befahl ihm auf englisch, auch den Revolver zu suchen; der Kleine machte seine Sache gut, fand das Versteck unter dem Kissen auf Anhieb.
    Währenddessen stand Amalia am Fenster und rieb sich Gesicht und Hände mit dem Taschentuch ab.
    »Seid ihr soweit?« fragte sie ungeduldig. »Dieses Phosphorzeug ist ja so ekelhaft. Und dabei war die ganze Maskerade für die Katz. Sein Grips reicht nicht aus, das Portefeuille ordentlich zu verstecken. John, sehen Sie im Sessel nach.«
    Dabei blickte sie Fandorin gar nicht mehr an – als hätte er sich plötzlich in einen leblosen Gegenstand verwandelt.
    Mit Leichtigkeit riß Morbid ihn aus dem Sessel hoch, während er die Klinge weiter an seine Kehle gedrückt hielt; der Kleine schob die Hand in das Polster und zog das blaue Portefeuille hervor.
    »Geben Sie her!« Die Beshezkaja trat zum Tisch undprüfte den Inhalt. »Alles da. Er hat noch nichts weggeschickt. Na, Gott sei Dank. Franz, bringen Sie mir den Mantel, ich bin völlig durchfroren.«
    »Ist das das Ende der Vorstellung?« fragte Fandorin, der die Fassung wiedergewann, mit kippender Stimme. »Bravo! Sie sind eine vortreffliche Aktrice. Daß meine Kugel ihr Ziel verfehlt hat, tröstet mich. Um so ein Talent wäre es doch jammerschade gewesen.«
    »Und vergessen Sie den Knebel nicht!« wies Amalia den Butler an, warf sich den von Franz gebrachten Mantel über die Schultern und verließ das Zimmer, ohne den beschämten Fandorin noch eines Blickes zu würdigen.
    Der flinke Kleine (er also war es, der das Hotel observiert hatte, nicht Surow) holte ein Knäuel dünnen Strick aus der Tasche und band seinem Gefangenen die Arme fest an den Körper. Dann drückte er ihm mit zwei Fingern die Nase zu; als Fandorin die Luft knapp wurde und er den Mund aufriß, bekam er eine Kautschukbirne hineingestopft.
    »Ordnung muß sein«, sagte Franz mit leichtem deutschen Akzent; das Ergebnis seiner Arbeit schien ihn zu befriedigen. »Jetzt noch den Sack.«
    Er sprang auf den Flur hinaus und war im nächsten Augenblick zurück. Das letzte, was Fandorin sah, bevor man ihm das grobe Sackleinen über Kopf und Schultern bis zu den Knien zog, war John Morbids ungerührte, absolut steinerne Physiognomie. Daß die Welt sich ihm zuletzt von dieser nicht eben bezaubernden Seite zeigte, war bedauerlich, die staubige Finsternis im Sack war jedoch noch ärger.
    »Warte, ich will außen noch einen Strick darumbinden«, rief die Stimme von Franz. »Die Fahrt ist zwar nicht weit, aber so ist es sicherer.«
    »Wie soll er denn da rauskommen?« entgegnete MorbidsBaß. »Er braucht nur zu zucken, und ich ramme ihm das Messer in den Wanst.«
    »Trotzdem besser so!« flötete

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