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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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fuhr Morbid den Gefangenen an und stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Es war wohl der Schreck, der Fandorin aufheulen ließ.
    »Alles Zappeln ist umsonst, mein Lieber!« kommentierte Franz philosophisch.
    Eine Weile noch zuckte der Mann im Sack, kreischte einmal kurz auf und saß von da an still, hatte sich wohl mit seinem Schicksal abgefunden (genauer gesagt, hatte er sich an dem vermaledeiten Stilett, bevor er es zwischen die Finger bekam, schmerzhaft ins Handgelenk geschnitten).
    »Wir sind da!« verkündete John und erhob sich ein wenig, um in die Runde zu spähen. »Kein Mensch zu sehen.«
    »Wer sollte denn hier draußen, mitten in der Nacht, im Regen stehen?« fragte Franz achselzuckend. »Komm! Wir haben einen langen Heimweg vor uns.«
    »Faß du ihn bei den Beinen.«
    Sie packten das gefesselte Bündel und schleppten es zu einem hölzernen Bootssteg, der ein schnurgerades Stück weit über die schwarzen Fluten führte.
    Fandorin hörte das Knarren der Bretter unter den Füßen und das plätschernde Wasser. Das Ende der Qualen stand bevor. Waren die Wasser der Themse erst einmal über seinem Kopf zusammengeschlagen, konnte er mit der Klinge herumfahren, den Sack aufschlitzen und klammheimlich unter dem Steg an die Oberfläche tauchen. Dort ließe es sich ausharren, bis die Männer fort waren, und er wäre frei und gerettet. All dies ging in seiner Vorstellung so einfach und glatt, daß eine innere Stimme unversehens Einspruch erhob: Nein, Erast, so geht es niemals zu im Leben, irgendeine Gemeinheit wird unter Garantie dazwischenkommen und den ganzen wunderschönen Plan zunichte machen.
    O weh! greinte diese innere Stimme, die das Unglück schon gewahrte. Die Gemeinheit ließ tatsächlich nicht auf sich warten – und sie nahte nicht von Seiten des greulichen Mr. Morbid, nein, sie kam von der guten Seele Franz.
    »Moment noch, John«, sagte der, als die beiden das äußerste Ende des Piers erreicht und ihre Last auf den Plankenabgelegt hatten. »Einen lebendigen Menschen zu ersäufen, als wenn’s ein Katzenjunges wär – gehört sich das? Ich möchte nicht in seiner Haut stecken, du etwa?«
    »Nein.«
    »Na bitte!« freute sich Franz. »Sag ich doch. Diese eklige Dreckbrühe schlucken – brrr! Das möcht man keinem wünschen. Komm, laß uns gnädiger verfahren: Du stichst ihn erst ab, damit er sich nicht unnötig quälen muß. Zack und fertig, was meinst du?«
    Von soviel Menschenliebe wurde Fandorin schlecht. Doch der liebe, wunderbare Mr. Morbid hatte brummend etwas einzuwenden: »Fehlte noch, daß ich mein Messer mit Blut einsaue. Mir vielleicht noch den Ärmel besudele. Als hätten wir mit dem Grünschnabel nicht schon genug Scherereien gehabt. Nein, der krepiert so und so. Wenn dir nach einem Gnadenakt ist, kannst du ihn ja mit dem Strick erdrosseln, das ist doch deine Spezialität. Ich treibe derweil ein Stück Eisen für ihn auf.«
    Morbids schwere Schritte entfernten sich, und Fandorin blieb mit dem Menschenfreund Franz allein zurück.
    »Ich hätte den Sack nicht von außen verschnüren sollen«, dachte der laut nach. »So ist kein Strick mehr übrig.«
    Fandorin gab ein aufmunterndes Brummen von sich: Macht doch nichts! sollte das heißen, nimm’s nicht so schwer, ich werde schon irgendwie klarkommen.
    »Armer Tropf!« seufzte Franz. »Stöhnt, daß es einem das Herz zerreißt. Komm, Junge, sei kein Hasenfuß. Onkel Franz opfert seinen Gürtel für dich.«
    Schon näherten sich wieder Schritte.
    »Hier hab ich ein Stück Schiene. Genau das Richtige«, röhrte der Butler. »Schieb ihm das unter den Strick. Dann taucht er frühestens in einem Monat wieder auf.«
    »Warte einen Moment, ich will ihm noch die Schlinge um den Hals ziehen!«
    »Zum Teufel mit deinen Liebesbeweisen! Die Zeit rennt uns weg, bald wird es hell!«
    »Tut mir leid, Freundchen«, sagte Franz mitleidig. »Du siehst, es soll nicht sein. Das hast du dir selbst zu verdanken«, fügte er auf deutsch noch hinzu.
    Fandorin wurde wieder angehoben und durch die Luft geschwenkt.
    »Asasel!« klang Franzens Stimme streng und feierlich; in der nächsten Sekunde klatschte der vermummte Körper in das jauchige Wasser.
    Weder die Kälte noch die ölige Schwere des Wasserpanzers spürte Fandorin, während er mit dem Stilett die glitschige Schnur zerschnippelte. Am schwierigsten war es, die rechte Hand freizubekommen, danach ging alles ganz schnell: Rrritsch! – und die Linke konnte der Rechten assistieren; rrratsch! – und der Sack war

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