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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Mechanismen der Machtausübung im engen Sinne betrifft: Politik, Staatsapparat, Militär, Polizei und so weiter. Daneben gibt es die Kategorie S – Science, die Kategorie A – Arts, die Kategorie B – Business. Und andere. Ich habe in den vierzig Jahren meiner pädagogischen Tätigkeit sechszehntausendachthundertdreiundneunzig Menschen auf den richtigen Weg geführt. Sehen Sie denn nicht, welch rasanten Aufschwung Wissenschaft, Technik, Kunst, Jurisprudenz und Industrie in den letzten Jahrzehnten genommen haben? Sehen Sie nicht, daß die Welt seit Mitte unseres neunzehnten Jahrhunderts besser, vernünftiger, schöner geworden ist? Es vollzieht sich eine wahrhaftige, friedliche Revolution! Und sie ist absolut notwendig, andernfalls wird die Welt, so ungerecht, wie sie eingerichtet ist, von einer anderen, blutigen Revolution heimgesucht werden, die die Menschheit um Jahrhunderte zurückwürfe. Tag für Tag tun meine Kinder das Ihre, die Welt zu retten. Und warten Sie ab, was erst in kommenden Jahren passieren wird. Sie hatten mich übrigens gefragt, warumich keine Mädchen aufnehme. Ich gestehe, Sie damals belogen zu haben. Ich nehme Mädchen. Allerdings nur wenige. In der Schweiz gibt es ein spezielles Asternat, an dem meine teuren Töchter erzogen werden. Ein ganz exquisites Material, womöglich kostbarer als meine Söhne. Mit einer von ihnen hatten Sie bereits das Vergnügen.« Die Lady zeigte ein verschlagenes Lächeln. »Derzeit führt sie sich freilich etwas unvernünftig auf, hat ihre Pflicht vorübergehend aus den Augen verloren. Das kommt vor bei jungen Frauen. Doch sie wird zu mir zurückfinden, dessen bin ich gewiß. Ich kenne meine Mädchen.«
    Fandorin entnahm diesen Worten, daß Surow Amalia wohl doch nicht erschossen, sondern irgendwohin entführt hatte; dennoch rührte die Erwähnung dieser Person an alte Wunden und dämpfte vorübergehend die – allerdings gehörige – Bestürzung, die die Ausführungen der Baronesse bei ihm ausgelöst hatten.
    »Ein edler Zweck ist freilich aller Ehren wert!« brauste er auf. »Aber wie steht es um die Mittel? Einen Menschen zu töten ist für Sie dasselbe, wie eine Mücke zu erschlagen!«
    »Das ist nicht wahr!« entrüstete sich die Lady. »Jedes vergeudete Leben bedauere ich zutiefst. Doch man kann die Augiasställe nicht ausmisten, ohne sich schmutzig zu machen. Ein Toter läßt tausend, ach, eine Million andere leben.«
    »Kokorin zum Beispiel, wen hat der leben lassen?« erkundigte sich Fandorin bissig.
    »Mit dem Geld dieses nichtsnutzigen jungen Lebemannes forme ich Tausende helle Köpfe für Rußland und die Welt. Nein, mein Lieber, da kann man nichts machen. Nicht ich habe die Welt so grausam eingerichtet, alles in ihr hat seinen Preis, und im konkreten Fall halte ich ihn für durchaus angemessen.«
    »Und wofür mußte Achtyrzew sterben?«
    »Erstens war er viel zu geschwätzig. Zweitens hat er Amalia über die Maßen zugesetzt. Und drittens haben Sie Iwan Brilling doch selbst auf das Erdöl in Baku hingewiesen. Niemand wird Achtyrzews Testament anfechten können, es bleibt in Kraft.«
    »Polizeiliche Ermittlungen fürchteten Sie nicht?«
    »Ach wo!« sagte die Lady schulterzuckend. »Ich wußte, mein lieber Brilling würde alles in rechte Bahnen lenken. Ihm war diese glänzende analytische und organisatorische Begabung in die Wiege gelegt. Was für eine Tragödie, daß er nicht mehr unter uns weilt. Brilling hätte es ideal hinbekommen, wäre da nicht ein überaus eifriger junger Gentleman gewesen. Da haben wir alle großes, großes Pech gehabt.«
    An dieser Stelle fiel es Fandorin endlich ein, mißtrauisch zu werden.
    »Mylady, sagen Sie mal … Warum sind Sie eigentlich so offenherzig zu mir? Sie glauben doch nicht etwa, mich für Ihren Orden missionieren zu können? Liebend gern wäre ich auf Ihrer Seite, Mylady, doch bei diesen Methoden, bei all dem vergossenen Blut …«
    »Nein, mein Freund«, unterbrach ihn die Lady mit einem milden Lächeln, »ich mache mir keine Hoffnungen, daß meine Propaganda bei Ihnen auf fruchtbaren Boden fallen könnte. Leider sind wir uns allzu spät begegnet: Ihr Geist, Ihr Charakter, Ihr ganzes moralisches Wertesystem sind bereits so festgefügt, daß sich kaum noch etwas ändern läßt. Meine Offenherzigkeit Ihnen gegenüber hat dreierlei Gründe. Erstens sind Sie ein blitzgescheiter junger Mann und mir ausgesprochen sympathisch. Ich möchte keinesfalls, daß Sie ein Monster in mir sehen. Zweitens waren Sie so

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