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Fandorin

Fandorin

Titel: Fandorin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ins Straflager geschickt, an ihnen wird lediglich eine kleine Operation vollzogen, und die Unglücklichen sind ihre krankhafte Brutalität, ihre Wollust, ihre unmäßige Gier ein für allemal los und können zu nützlichen Gliedern der Gesellschaft werden! Oder stellen Sie sich vor, man unterzöge einen Ihrer ohnehin so begabten Jungen meiner Elektrotherapie und steigerte seine Begabung noch um ein Vielfaches!«
    »Nein, meine Jungen kriegen Sie nicht!« wehrte die Baronesse ab. »Zuviel Talent kann einen in den Wahnsinn treiben. Experimentieren Sie lieber mit Verbrechern. Aber sagen Sie, was hat es mit Ihrem sogenannten reinen Menschen auf sich?«
    »Das ist eine vergleichsweise einfache Operation. Sie auszuführen glaube ich schon beinahe in der Lage zu sein. Man kann dem Gedächtnissektor einen Stromstoß versetzen, und aus dem menschlichen Hirn wird ein unbeschriebenes Blatt, so als wäre man mit dem Radiergummi darüber hinweggegangen. Alle intellektuellen Begabungen bleiben erhalten, während die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ausgemerzt werden. Heraus kommt ein Mensch in vollkommener Unschuld, wie neugeboren. Erinnern Sie sich an das Experiment mit dem Frosch? Nach der Operation hatte er das Springen verlernt, ohne die motorischen Reflexe eingebüßt zu haben. Er wußte nicht mehr, wie man Fliegen fängt, doch der Schluckreflex war noch vorhanden. Theoretisch hätte man ihm all dies wieder beibringen können. Und wenn wirnun unseren jungen Patienten hernehmen … Was steht ihr beiden herum und gafft? Nehmt ihn und legt ihn hier auf den Tisch. Macht schnell!«
    Es war soweit! Fandorin konzentrierte sich. Doch Andrew, dieser Schuft, packte ihn so fest bei den Schultern, daß der Versuch, nach der Pistole zu greifen, nicht lohnte. Während dessen hantierte Timothy mit etwas, es machte klack, und die Stahlreifen, die dem Gefangenen die Brust geschnürt hatten, waren weg.
    »Ein, zwei, hopp!« kommandierte Timothy, der Fandorin bei den Beinen nahm, während Andrew ihn, ohne den Griff um seine Schultern zu lockern, mühelos aus dem Sessel hob.
    Das Versuchsobjekt wurde auf den Tisch bugsiert, Andrew hielt die Ellbogen fest, der Portier die Knöchel. Das Holster drückte Fandorin gemein in die Hüfte. Erneut schellte die Glocke – die Pause war vorüber.
    »Ich werde zwei Hirnsektoren synchron mit einem elektrischen Stromstoß behandeln. Danach wird der Patient aller vorherigen Lebenserfahrung ledig und sozusagen wieder zum Kleinkind geworden sein. Er wird alles wieder neu lernen müssen: zu gehen, zu kauen, die Toilette zu benutzen, späterhin das Lesen, Schreiben und so weiter. Ich denke, Ihre Pädagogen dürfte das interessieren. Zumal Sie sich ja im Falle dieses Individuums bereits ein Bild über die vorhandenen Anlagen machen konnten.«
    »O ja. Er verfügt über eine hohe Reaktionsschnelligkeit, viel Mut, ein gut entwickeltes logisches Denken und eine einzigartige Intuition. Ich hoffe, all dies wird wiederherzustellen sein.«
    Unter anderen Umständen hätte Erast Fandorin sich von solch beifälliger Charakteristik geschmeichelt gefühlt. Jetzt aber packte ihn das kalte Grausen: Er malte sich aus, alsWickelkind mit Schnuller im Mund in einer rosa Wiege zu liegen und vor sich hin zu lallen, Lady Aster beugt sich über ihn und sagt mit vorwurfsvoller Stimme: »Ei, was sind wir böseböse, haben uns schon wieder naß gemacht!« Lieber sterben!
    »Er zuckt, Sir!« Andrew tat zum ersten Mal den Mund auf. »Nicht, daß er uns noch aufwacht.«
    »Unmöglich«, beschwichtigte ihn der Professor. »Die Narkose hält mindestens zwei Stunden vor. Leichte Konvulsionen sind ganz normal. Das Risiko liegt in folgendem, Mylady. Zur exakten Bemessung der nötigen Stromstärke bin ich leider noch nicht gekommen. Ein Zuviel an elektrischer Ladung kann den Patienten töten oder zum bleibenden Idioten machen. Ein Zuwenig bewirkt, daß dunkle Restbilder in der Hirnrinde verbleiben, die sich später unter Einwirkung äußerer Reize zu gewissen Erinnerungen fügen könnten.«
    Die Baronesse schwieg eine Weile, dann sagte sie mit unüberhörbarem Bedauern: »Das können wir nicht riskieren. Geben Sie lieber etwas mehr.«
    Ein obskures Surren setzte ein und sodann ein Knistern, von dem Fandorin eine Gänsehaut bekam.
    »Andrew, scheren Sie ihm am Kopf zwei kleine Kreise frei – hier und hier!« befahl Blank und griff dem Liegenden in die Haare. »Ich muß die Elektroden ansetzen.«
    »Nein, das soll Timothy machen!« entschied

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