Fang schon mal ohne mich an - Phillips, C: Fang schon mal ohne mich an
verschlimmerte, war, dass Molly sich das, was ihre Großmutter gerade beschrieben hatte, lebhaft vorstellen konnte. Sie sah sich schon auf dem Motorrad sitzen und an Hunters Rücken schmiegen. Die Vibrationen zwischen ihren Beinen hatten dank ihrer lebhaften Fantasie bereits begonnen. Dabei machte es nicht einmal etwas aus, dass er sie hasste. Seine Wirkung auf sie war einfach zu stark.
„Ich dachte, unsere Nachbarn hätten Besuch. Du weißt schon, dieser Junge der Familie Bell, der ständig Ärger macht“, meinte Edna. „Nicht, dass ein Motorrad automatisch Ärger bedeuten muss, doch dem da steht der böse Junge auch auf der Stirn geschrieben.“ Sie zeigte in Hunters Richtung.
„Ich werte das einmal als Kompliment. Daniel Hunter“, sagte er, wobei er auf Edna zuging und ihr die Hand entgegenstreckte.
„Edna Addams, aber meine Freunde nennen mich nur der Kommandeur.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Kommandeur.“ Hunter grinste komplizenhaft, als er der alten Dame die Hand schüttelte.
Molly stöhnte. Er hatte schon Jessie vor Ehrfurcht erstarren lassen, und nun bezirzte er auch noch das weibliche Oberhaupt der Familie. Robin wäre ihm mit Sicherheit auch auf den Leim gegangen. Molly zweifelte nicht daran, dass auch ihr Vater Hunter bewundern würde. Und Hunter würde ihre Familie ebenfalls mögen. Plötzlich fühlte sie sich in ihrer neuen Familie wie ein Außenseiter, wie jemand, den Hunter nur deshalb tolerierte, weil er ihren irrtümlich verhafteten Vater verteidigte.
„Dann müssen Sie der Anwalt sein, von dem uns Molly erzählt hat“, sagte Edna, die sich in Hunters Nähe auf ihren Stock stützte.
„Ich hoffe, sie hat auf ihre Wortwahl geachtet.“ Der Schalk blitzte aus seinen braunen Augen, als er ihre Großmutter ansah. Doch sobald sein Blick auf Molly fiel, verschwand die Wärme aus seinen Augen, und er wurde eisig.
Molly versuchte, ein Frösteln zu unterdrücken.
Edna nickte. „Ich weiß nicht mehr genau, was sie gesagt hat, aber so etwas wie ‚der beste Anwalt des Staates‘ kommt ungefähr hin.“
Mollys schloss die Augen. Solange Hunter da war, würde sie seinen permanenten Demütigungen ausgesetzt sein.
„Damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen.“
„Nur keine falsche Bescheidenheit. Ich mag selbstbewusste Männer.“
Molly seufzte. „Was macht deine Strickkunst?“
„Bis jetzt ist es nur ein lumpiger, hässlicher Schal, aber du wirst sehen, dass ich der Geschichte schon noch Herr werde. Ich musste jetzt aufhören, weil ich das Abendessen warm machen will.“ Ihr Blick fiel auf Hunter. Ein Gast.
Molly wusste genau, was als Nächstes kommen würde.
„Sie haben Glück, dass ich etwas Größeres vorbereitet habe. Sie bleiben zum Abendessen.“
Das war keine Frage. Edna nahm einfach an, dass Hunter bleiben würde.
Molly, die neben ihrer Großmutter stand, sagte: „Ich bin sicher, dass er erst einmal ankommen will.“ Sie hoffte, dass sie ihm die Ablehnung damit erleichtern würde.
Auf keinen Fall würde er mit einem Haufen fremder Menschen an einem Tisch sitzen wollen. Familienleben war nichts für ihn, wie er einmal gesagt hatte, als er ihr von seiner Zeit im Waisenhaus erzählt hatte. Und solange sie ihn kannte, schien er seine eigene Gesellschaft der Gesellschaft anderer Menschen vorzuziehen – mit Ausnahme von Lacey und Ty, die einzigen Menschen, die er als seine Familie betrachtete. Die Einzigen, denen er je erlaubt hatte, hinter seine Fassade zu blicken.
Er hatte dir diese Chance auch gegeben, und du hast es vermasselt, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.
„Ich habe ein Zimmer in einem Motel reserviert, aber sie haben meine Kreditkartennummer, damit sie mir das Zimmer freihalten, also brauche ich mich mit dem Einchecken nicht zu beeilen. Ich würde sehr gerne zum Abendessen bleiben.“ Hunter sprach mit ihrer Großmutter, ohne auf Mollys genervte Blicke zu achten. „Die Familie kennenzulernen wird hilfreich sein bei der Entwicklung meiner Verteidigungsstrategie. Danke für die Einladung, Kommandeur.“
„Es ist mir ein Vergnügen. Ich hoffe, Sie mögen Schmorfleisch. Das gibt es nämlich gleich.“
„Das ist mein Leibgericht.“
Molly war sich sicher, dass er das absichtlich machte. Zur Strafe, um sie für alles, was sie ihm angetan hatte, leiden zu lassen. Ein Abendessen mit der Familie würde dem Fall ihres Vaters nicht weiterhelfen. Zeugen zu finden, die die Unschuld ihres Vaters beweisen konnten, dagegen schon. Sie und
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