Fangjagd
Pirouette.
„Gefällt dir mein Kleid, Bob? Wenn du ein bißchen näherkommst, riechst du auch mein Parfüm.“
„Menschenskind, du hast Nerven! Nancy kann jeden Augenblick reinkommen…“
„Als ich sie zuletzt gesehen habe, ist sie in ein Fachgespräch mit einem Kollegen aus Phoenix vertieft gewesen. Das dürfte sie noch einige Zeit fesseln.“ Sie starrte ihn erwartungsvoll an.
„Na, wie gefällt dir mein Kleid?“
„Blanche, ich finde dein Kleid super – ganz zu schweigen von dem, was darin steckt. Wie hast du’s übrigens geschafft, genau in dem Augenblick aufzukreuzen, in dem Novak gegangen ist?“
„Ich hab’ in einer der Sitznischen im Flur gewartet. Bob, dein Blick, dein Gesichtsausdruck und dein ganzes Auftreten gefallen mir nicht. Du hast doch hoffentlich nicht irgendeine Dummheit vor? Nimm dich mit deiner Antwort in acht – ich kenne dich genau!“
„Ich habe bestimmt nicht vor, hier mit dir ins Bett zu gehen…“
„Das habe ich nicht gemeint.“ Sie hielt ihm den großen Umschlag hin. „Ich bin gebeten worden, dir das von Mr. X zu geben. Auch diesmal hat’s keinen Zweck, seine Identität aus mir rauskriegen zu wollen. Am besten gehe ich gleich wieder.“
Newman legte den Umschlag in eine Schublade. „Dein Stiefvater ist zu dem Empfang gekommen. Hast du mit ihm gesprochen?“
„Soll das ein Witz sein? Er ist an mir vorbeistolziert, als habe er mich gar nicht wahrgenommen. Aber das ist mir nur recht gewesen. Ich habe ihn eine Weile beobachtet und muß sagen, daß er mir keineswegs sympathischer geworden ist. Er scheint noch starrsinniger und intoleranter als früher geworden zu sein.
So, ich muß jetzt gehen!“ Sie küßte ihn und kramte dann ein Papiertaschentuch aus ihrer Handtasche. „Halt still, ich muß dir den Lippenstift abwischen. Bob, mach um Himmels willen keine Dummheiten, ja? Versprichst du mir das?“
„Ich werde versuchen, mich daran zu halten…“
Kurz vor Mitternacht erreichte der neutrale VW-Bus mit Becks Filmteam den Waldrand oberhalb der Klinik Bern. Leupin saß am Steuer und hatte Sautter als Beifahrer neben sich. Hinten im Bus hatte der Kameramann Rolf Fischer mit seiner umfangreichen Ausrüstung Platz genommen.
Leupin bremste, legte den Rückwärtsgang ein und stieß von der verschneiten. Straße auf eine Lichtung unter den Bäumen zurück. Er konnte nicht wissen, daß er sich damit für genau die Stelle entschieden hatte, von der aus Lee Foley die Klinik Bern am vergangenen Dienstag beobachtet hatte. Nachdem Leupin sich von der Tragfähigkeit des Untergrunds überzeugt hatte, wendete er auf der Lichtung, so daß das Fahrzeugheck in Richtung Klinik zeigte.
In die Heckscheibe des Busses war eine nach innen zu öffnende runde Milchglasscheibe eingelassen, durch die Fischers Teleobjektiv auf jeden Punkt des Klinikgeländes gerichtet werden konnte. Mit Hilfe modernster Technik war der Kameramann imstande, selbst bei Nacht Filmaufnahmen oder Photos zu machen. Leupin stieg aus und stapfte durch den Schnee nach hinten, wo Fischer bereits das runde Fenster geöffnet hatte.
„Na, stehen wir so richtig?“ erkundigte der Kriminalbeamte sich.
„Ausgezeichnet! Ich kann alles überblicken – die Klinik, das Labor, das ganze Gelände, sogar die Senke in der Nähe des Labors.“
„Und uns sieht tagsüber niemand, weil der weiße Bus sich kaum vom Schnee abhebt. Augenblick, da unten fährt doch irgendwas!“
Leupin hob das um seinen Hals hängende Nachtglas an die Augen und beobachtete damit die Auffahrt vom Pförtnerhäuschen zum Hauptgebäude. Ein schwarzer Mercedes befand sich auf der Fahrt von der Klinik zum Tor. Leupin ließ sein Fernglas sinken und wandte sich erneut an Fischer.
„Komisch, ich möchte wetten, daß das Granges Wagen ist.
Dabei ist der Professor heute Abend angeblich nicht hier…“
Beck hatte sich dagegen ausgesprochen, daß das Kamerateam seinen Beobachtungsplatz schon vor Mitternacht bezog. Er wollte unter allen Umständen verhindern, daß der Bus dabei beobachtet wurde. Darüber hinaus, so hatte er festgestellt, werde dort in dieser Nacht ohnehin nichts passieren, weil Grange auf dem Empfang im Bellevue Palace sei und danach in seine Villa in der Elfenau fahren werde.
35
19. Februar.
Der Anruf kam am späten Vormittag, als Newman und Nancy eben aufgestanden waren. Sie hatten ungewöhnlich lange geschlafen, und während Nancy die Vorhänge aufzog, griff Newman nach seiner Armbanduhr auf dem Nachttisch. 11.45 Uhr. Er warf die
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