Fangjagd
fliege heute mit der nächsten Maschine nach Genf. Dort bleibe ich im Hotel des Bergues. Sobald der Zeitpunkt dafür gekommen ist, reise ich nach Bern weiter. Ich nehme mir dort ein Zimmer im Hotel Savoy in der Nähe des Hauptbahnhofs – die Telefonnummer können Sie bei der Fernsprechauskunft erfragen. Am besten bleiben wir ab sofort in enger Verbindung. Sie müssen mich auf dem laufenden halten. Ende.“
Tweed kehrte um 12.30 Uhr ins Büro zurück, hängte seinen Mantel achtlos am Haken auf und nahm an seinem Schreibtisch Platz. Monica, die gerade mit Mason eine Akte durchging, runzelte die Stirn. Er hätte ihn auf einen Kleiderbügel hängen sollen, kein Wunder, daß sein Mantel immer so verknittert war! Aber sie hütete sich, Tweed darauf anzusprechen oder ihm den Mantel aufzuhängen. Tweed war länger als zwei Stunden fort gewesen.
„Ich habe für Mason einen Platz an Bord des Swissair-Flugs SR 805 gebucht. Abflug Heathrow 14.45 Uhr, Ankunft Kloten 17.20 Uhr Ortszeit…“
„Das schafft er leicht“, stimmte Tweed mit geistesabwesendem Gesichtsausdruck zu. „Was treibt ihr zwei hier?“
„Wir haben uns Hunderte von Photos angesehen“, antwortete Monica. „Wir sind auf den Mann gestoßen, der in Wien-Schwechat in den Schweizer Lear Jet gestiegen ist. Er heißt Manfred Seidler.“
„Ganz bestimmt?“
„Hundertprozentig“, bestätigte Mason. „Hier, vergleichen Sie die Photos selbst.“
Er legte Tweed die von ihm auf dem Flughafen gemachte Aufnahme des Unbekannten auf den Schreibtisch. Monica legte die Akte Seidler mit aufgeschlagener Seite drei, die ein anderes Photo enthielt, daneben.
„Der arme alte Manfred“, sagte Tweed halb zu sich selbst.
„Diesmal scheint er in etwas verwickelt zu sein, dem er nicht gewachsen ist…“
„Sie kennen ihn?“ fragte Mason.
„Ich
habe
ihn gekannt. Als ich auf der anderen Seite des Ärmelkanals gearbeitet habe. Seidler sammelt – und verkauft – allen möglichen Kram, der manchmal gar nicht so unbedeutend ist. Er lebt von seinen ausgezeichneten Verbindungen, die bis in den Ostblock reichen.
Zwischendurch landet er immer wieder mal einen größeren Coup. Ich weiß allerdings nicht, wo er sich jetzt aufhält.
Das müssen Sie feststellen, Mason.“
„Dann steht mir einiges an Arbeit bevor. Manfred Seidler aufspüren, Informationen über Professor Grange sammeln…
Unser Archiv enthält nichts über ihn.“
„Der Computer hat nichts über ihn ausgespuckt“, warf Monica ein.
„Computer?“
Tweed verzog das Gesicht, schien etwas sagen zu wollen und schwieg dann aber doch. Er wandte sich wieder Mason zu. „Sobald Sie dieses Gebäude verlassen, müssen Sie darauf achten, ob Sie beschattet werden, Mason. Vor allem nach Ihrer Ankunft in der Schweiz.“
„Denken Sie an etwas Bestimmtes?“
„Es hat bereits einen Toten gegeben – diesen Franz Oswald.
Was hier in meinem Stahlschrank liegt, ist so wichtig, daß es Leute gibt, die dafür morden…“ Er warf Monica einen fragenden Blick zu. „Oder hat der Kurier des Verteidigungsministeriums das Ding inzwischen abgeholt?“
„Bisher noch nicht…“
„Schwachsinn!“ Tweeds dicke Finger trommelten einen Marsch auf der Schreibtischplatte. „Je früher die Fachleute das Beweisstück untersuchen…“
„Charlton ist immer sehr vorsichtig“, warf Monica ein. „Und sehr sicherheitsbewusst. Ich vermute, daß der Kurier nach Einbruch der Dunkelheit kommt.“
„Ja, wahrscheinlich haben Sie recht. Ich bleibe jedenfalls im Büro, bis wir das Ding losgeworden sind. Doch zurück zu Ihnen, Mason“, fuhr er fort. „Ein weiterer unbekannter Faktor ist die Haltung der Schweizer Behörden – der Bundespolizei und des militärischen Nachrichtendienstes. Die beiden könnten Ihnen Steine in den Weg legen …“
„Aber weshalb denn?“ protestierte Monica.
„Mir macht der Lear Jet mit Schweizer Kennzeichen Sorgen“, erklärte Tweed ihr. Er nickte Mason zu. „Seien Sie jedermann gegenüber misstrauisch. Übrigens noch etwas.
Wir haben für Sie ein Zimmer im Hotel Bellevue Palace in Bern reservieren lassen.“
Mason stieß einen leisen Pfiff aus. „Donnerwetter – die reinste VIP-Behandlung! Wenn Howard das erfährt, gibt’s wieder Stunk!“
„Das Hotel liegt günstig“, stellte Tweed fest. „Vielleicht komme ich später auch hin.“
Monica hatte Mühe, ihre ausdruckslose Miene zu bewahren.
Sie wußte genau, daß Tweed in wenigen Tagen selbst im Bellevue Palace wohnen würde, sie hatte die
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