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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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alles andere als erfreut. Ich brauchte trotz allem eine indische Frau, davon war sie felsenfest überzeugt, ein sanftmütiges, unterwürfiges Wesen, das sich bestens darauf verstand, Currys zu kochen, Chapatis zu backen, Pullover und Socken für den Winter zu stricken, ihren Ehemann mit wohltuenden Fußmassagen zu verwöhnen und seine Kinder auszutragen, am besten dutzendweise. Und wenn ich an den Beschaffungsstress dachte, den mir meine Libido seit Anninas Abgang verursachte und der an manchem späten Samstagabend nur knapp an der Beschaffungskriminalität vorbeischrammte, war ich manchmal nah dran, ihr beizupflichten.
    Von den hiesigen Frauen hielt meine Mutter nichts. Viel zu eigenständig und selbstbewusst. Das war kaum etwas, was einen Mann anzieht, so ihre Meinung. Dass sie selbst im Verlauf der langen Jahre in der Schweiz ebenfalls eigenständig und selbstbewusst geworden war, blendete sie aus, genauso wie die Tatsache, dass vor dem Schaufenster ihres Ladens Frauen mit weit kürzeren Röcken vorbeistöckelten, als sie Annina jemals getragen hätte. Manchmal schien es, als nähme meine Mutter die Welt um sich herum durch einen Filter wahr. Allerdings nur dann, wenn es ihr gerade passte.
     
    Sie winkte mir heftig zu, als sie mich entdeckte, und bedeutete mir reinzukommen. Ich tippte auf die imaginäre Uhr an meinem Handgelenk, doch ihre Gesten machten deutlich, dass sie Zeitmangel keineswegs als Ausrede gelten ließ. Seufzend fügte ich mich dem Unausweichlichen.
    Meine Mutter stand in der Mitte des Ladens, wo sie ein paar Herdplatten auf einem Tisch hatte installieren lassen. Vorn waren Theke und Kasse, hinter ihr standen große Kühlvitrinen, in denen Fische auf Eis lagerten, daneben vakuumverpackte und gefrorene Hühnerteile und klobige Lammstücke. Die Wände waren voller Regale mit Reissäcken, Linsen, Gewürzen und Ölen, daneben gab es auch einen Zeitungsständer mit indischer Presse und Magazinen und eine Abteilung mit Schönheits- und Pflegeprodukten.
    » Betaji, komm her!«, rief sie, als ich eintrat. Sie rührte in einem Topf. Im ganzen Laden roch es würzig nach Curry, und sofort wurde mir ganz heimelig zumute, schließlich war ich im Dunst der indischen Küche aufgewachsen.
    »Das ist Manju.« Mit vielsagender Miene deutete meine Mutter auf ein klappriges Wesen, das neben ihr stand und gerade Samosas in heißem Fett ausbackte. Es trug eine schwarze Hornbrille und steckte in einer formlosen Strickjacke, darunter waren die Ränder eines blassen, fadenscheinigen Saris zu erkennen. Sie blickte mich ausdruckslos an, hob dann die gefalteten Hände zur Stirn, neigte steif den Kopf und wandte sich stumm wieder ihrer Pfanne zu.
    Ich starrte meine Mutter an. »Wie alt ist sie? Achtundsechzig?«
    » Buddhou. Dummkopf.« Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Manju ist die Tochter von Tante Asha. Erinnerst du dich?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich war seit Jahren nicht mehr in Indien gewesen und erinnerte mich nur vage an meine Verwandtschaft. Nicht zuletzt deshalb, weil sie so vielköpfig war, dass sie locker das Hallenstadion gefüllt hätte.
    »Sie ist deine Cousine vierten Grades aus Varanasi, also die Tochter des Bruders des Schwagers des Ehemannes meiner Schwester. Oder so.«
    »Wäre das noch Inzest?«
    Sie überging meine Bemerkung mit einem scharfen Schnauben. »Tante Ashas Mann Sanjeev ist letzten Sommer gestorben, deswegen habe ich Manju eingeladen, ein wenig Zeit bei uns zu verbringen«, flüsterte sie. Sie hob erwartungsvoll die Augenbrauen. Schon immer hatte sie Verwandte aus Indien nachkommen lassen, die ihr dann im Laden zur Hand gingen. Oft hatten diese vorübergehend bei uns gewohnt, bis sie sich eine eigene Bleibe leisten konnten oder zurück nach Indien flogen, weil sie es nicht mehr aushielten, sei es aus lauter Heimweh oder wegen des Chefgehabes meiner Mutter. Doch noch nie hatte sie ein Mädchen in derart unverhohlener Absicht herkommen lassen. Die Sache mit den Enkeln musste für sie in letzter Zeit an Priorität gewonnen haben.
    »Vergiss es«, sagte ich kurz angebunden.
    »Samosa?«, fragte Manju mit glockenhellem Stimmchen und hielt mir einen der fettglänzenden Krapfen hin. Meine Mutter nickte aufmunternd und widerwillig griff ich zu. Ich biss hinein und verbrannte mir beinahe die Lippen.
    »Schmeckt es Ihnen, Mister Vijay?«
    Ich bejahte mit vollem Mund.
    »Vielen Dank, Mister Vijay.« Manju strahlte erfreut und glotzte mich durch die dicken Gläser ihrer Brille an. Als sich

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