Fangschuss
gleich rudelweise, ein stetes Zischen und Schnalzen verfolgte mich, während ich mit geradeaus gerichtetem Blick durch das schwarze Herz der Stadt ging. Balthasar hatte zwar nichts mit Drogen zu tun, doch er hatte ein Talent, das mir vielleicht bei der Suche nach Philipp weiterhelfen konnte: Er hatte einen scharfen Blick, dem kaum etwas im Quartier entging. Am wenigsten junge, gut aussehende Burschen.
Ich stieß die Milchglastür auf, ein helles Glöckchen bimmelte unschuldig, und sofort drang mir der schwere, süßliche Geruch von Leder in die Nase. Es dauerte einen Moment, bis sich meine Augen an das dämmerige Licht im Laden gewöhnt hatten. Rechts von mir befanden sich Regale, auf denen DVDs ausgestellt waren. Natürlich musste ich hingucken, obwohl ich gar nicht wollte. Wie immer zeigten die Hüllen muskulöse Männer jeglicher Hautfarbe, für die das knappe Produktionsbudget offensichtlich nur wenig oder gar keine Kleidung vorgesehen hatte. Mit verblödetem Gesichtsausdruck und ohne große Begeisterung reckten sie der Kamera ihr angeschwollenes Geschlechtsorgan entgegen, dessen absurde Größe die ursprüngliche Funktion stark infrage stellte. Ich trat ein paar Schritte in das Lokal hinein. Weiter hinten hingen schwarze Lederjacken und Lederhosen an Ständern. Daneben entdeckte ich kniehohe Stiefel, Handschuhe, Mützen und Armeeuniformen. Alles, was es für ein SS-Ehemaligentreffen so brauchte.
Balthasar war nirgends zu entdecken. Ich ging zum Tresen und betrachtete während des Wartens diverse Metallteile, die unter der Glasabdeckung ausgebreitet lagen. Klammern, Schrauben, Röhren und andere bizarr geformte Utensilien, über deren Verwendungszweck ich nur rätseln konnte. Die Auslage erinnerte mich stark an den Inhalt eines Heimwerkerkastens aus dem Hobbymarkt. Ich betrachtete gerade eingehend eine Pipette aus Chromstahl, als plötzlich schwere Schritte zu vernehmen waren. Ich fuhr herum und vor mir stand der Froschmann. Er trug eine Gummimaske, aus der vorn ein Rüssel ragte, einem Staubsauger nicht unähnlich.
»Funktioniert doch einwandfrei.« Der Froschmann zog die Maske aus und Balthasars gerötetes Gesicht kam zum Vorschein. »Manche Kunden haben keine Ahnung, wie man so etwas richtig benutzt.«
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und legte die Maske auf den Tresen.
»Wozu ist die?«
Er zog die Augenbrauen hoch und betrachtete mich belustigt. »Willst du nicht wissen, mein Lieber.«
»Aber …«
»Du willst es nicht wissen, glaub mir. Kaffee?«
Ich grinste und bejahte. Balthasar steckte eine blau glänzende Kapsel in die Espressomaschine und drückte dann den Knopf. Es war schwierig, sein Alter zu schätzen, und zu fragen traute ich mich nicht, ich wusste, wie empfindlich Leute mit einer gewissen Lebenserfahrung darauf reagieren konnten. Doch ich nahm an, dass er auf die fünfzig zuging. Er hatte sich eine Glatze rasiert und seine Oberlippe zierte ein fadendünnes Bärtchen. Obwohl er Lederhosen und ein Armyhemd trug und unübersehbar Gewichte hob, ging etwas Fürsorgliches, beinahe Mütterliches von ihm aus, er hatte den herben Charme und den urchigen Dialekt einer Innerschweizer Bauersfrau. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er sonntags seine Freunde mit selbst gebackenem Pflaumenkuchen und Rumpunsch bewirtete.
»Milch und Zucker?«
»Beides, doppelt.«
Er verzog das Gesicht.
»Ich bin Inder.«
»Und was bringt dich zu mir? Hast du dich endlich entschlossen, die Seite zu wechseln?«
»Nicht in diesem Leben.«
Ich legte Philipps Foto auf den Tresen.
»Stimmt, du bist ja jetzt Privatschnüffler. Hübscher Bengel. Aber was um Himmels willen ist das daneben.«
»Seine Freundin. Sie hat einen etwas eigenen Geschmack. Sie vermisst ihn seit Freitag. Kennst du ihn?«
Balthasar beugte sich über die Aufnahmen. »Ja, den hab ich schon gesehen. Velokurier ist der, oder?«
»Eher Drogen, aber schon mit Velo.«
»Ist ihm etwas zugestoßen?«
»Genau das versuche ich herauszufinden.«
»Mit den ganzen Drogengeschichten kenne ich mich nur wenig aus. Nicht mehr.« Er hob wie zur Entschuldigung die Schultern und guckte mich betrübt an. Doch dann riss er plötzlich ganz kurz die Augen auf.
»Was ist?«
Er zögerte.
»Sag schon.«
»Was ich dir jetzt erzähle, muss unter uns bleiben. Diskretion ist das oberste Gebot in meinem Geschäft. Sonst könnte ich den Laden innerhalb kürzester Zeit dichtmachen.«
»Wem erzählst du das!«
»Der Junge hat ein paarmal bei mir
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