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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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unbändige Lust verspürte. Ich wohnte zwar in dem Stadtkreis Zürichs, in dem wohl landesweit am meisten Drogen umgeschlagen wurden, ich sah täglich Dealer an der Langstrasse und vor allem in all den Seitengässchen rumlungern und kannte einige von ihnen sogar flüchtig. Wir lebten alle in demselben Quartier, kauften in demselben Coop ein, fuhren mit derselben Buslinie. Und doch war da eine hauchdünne Grenze, die unsere Welten trennte, und ich stand definitiv auf deren anderer Seite, mit ihrer Realität kam ich eigentlich nie in Berührung. Meine verlockende Aufgabe war nun, einzutauchen in diese andere, mir trotz allem fremde Welt, Kontakt aufzunehmen, unangenehme Fragen zu stellen.
    Ich seufzte, sodass Bambi besorgt aufschaute, unterdrückte die aufkommende Euphorie und trank meinen Macchiato aus. Gerade wollte ich mich von meinem Barhocker schwingen, als eine raue Stimme in mein Ohr flüsterte. »Na, Sherlock, mitten in der Nacht schon auf?«
    Ich fuhr herum und wie immer, wenn ich Miranda unerwartet antraf, verschlug es mir erst einmal den Atem. Sie sah einfach umwerfend aus. Ihre langen Karamelllocken waren noch ein paar Farbtöne heller geworden, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten, ihre Haut war bernsteinfarben und schimmerte, als wäre sie soeben einem Bad aus flüssigem Honig entstiegen, ihr Kleid war schwarz und viel zu eng, kurz und glamourös für einen gewöhnlichen Dienstagmorgen im Quartier. Mein Blick blieb an ihren Beinen hängen, sie waren endlos und ihre Pumps derart hochhackig, dass sich jede andere sofort den Knöchel gebrochen oder sich eine schmerzhafte Fußzerrung geholt hätte. Ich wäre sofort bereit gewesen, sie zu heiraten, hätte ich sie nicht schon gekannt, als sie noch Gustavo hieß und in den Stricherlokalen an der Zähringerstrasse anschaffte. Wir hatten jahrelang in denselben Klubs rumgehangen, vor allem in der Dachkantine, früher aber auch im Roxy und manchmal im Labyrinth, und waren seither locker befreundet. Mit der Zeit und den geschluckten Hormonen war sie immer femininer worden, ihre Haare länger und lockiger, und nach einem ausgedehnten Urlaub in Sao Paulo hatte sie plötzlich über zwei perfekt geformte, üppige Brüste verfügt. Nur ihre Stimme war immer noch rauchig, obschon sie um sicher eine halbe Oktave in die Höhe geklettert war.
    »Es ist halb elf, das kann man kaum mitten in der Nacht nennen.«
    »Ich schon«, lachte sie gurrend und ließ sich elegant auf dem Barhocker neben mir nieder und schlug die Beine übereinander. »Sehr beschäftigt, wie ich sehe.«
    »Dito.«
    Sie grinste. »Dienstagmorgen? Was glaubst du denn? Müller und Meier bleiben nur abends länger bei einer Sitzung. Montags und dienstags meist sowieso nicht, weil da noch das Wochenende nachklingt. Die Erotik des trauten Heims, wenn die Gören in der Sonntagsschule sind. Dann schiebt Mami den Braten in den Ofen und bläst anschließend Papi den Marsch. Danach werden gemeinsam Kartoffeln geschält. Das entspannt und verbindet, rettet die sonntägliche Familienidylle, dämmt die Lust auf frisches, straffes Fleisch und fördert erst noch ein schlechtes Gewissen. Das hält dann mit etwas Glück etwa achtundvierzig Stunden an. Deswegen werden sie erst gegen Mitte der Woche wieder geil.«
    »Aber die Auftragslage ist befriedigend?«
    »Ich kann nicht klagen. Am Wochenende hatte ich wieder ein paar von diesen Jungs, die es zum ersten Mal wagen. Pickelig und mit feuchten Händen. Keine Ahnung von nichts. Ein Hunderter für drei Minuten. Leicht verdientes Geld für mich, und sie können sich nachher gegenseitig vorprahlen, was für geile Stecher sie sind. So ist allen geholfen.«
    Sie schnippte nach Bambi, worauf diese Miranda einen gereizten Blick zuwarf, nur um sich gleich wieder abzuwenden und weiter die Schubladen aufzufüllen.
    »Hey, Kleine, einen Baileys für mich. Und einen weiteren Macchiato für den Curryfresser.«
    Bambi fuhr herum, funkelte Miranda verächtlich an, überlegte es sich dann doch anders und holte die Likörflasche vom Regal.
    »Wie sieht’s bei dir aus? Mördersuche und so?«
    Ich fasste kurz zusammen, was sich bisher in meinem neuen Berufsfeld getan hatte. Nach zwei Minuten war ich fertig.
    »Megadeal, so, so.« Miranda guckte nachdenklich in ihr Glas, in dem die cremige Flüssigkeit zwei Eiswürfel umspülte. »Hab auch schon gehört davon. Das Gerücht macht schon seit einiger Zeit die Runde.«
    »Echt? Was weißt du darüber?«
    Miranda seufzte. »Nicht viel.

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