Fantasien der Nacht
wie verstehend. Eric indes tappte nach wie vor im Dunkeln.
Tamara kehrte zu ihm zurück, zog auch ihn zum Kanapee hinüber und ließ sich ebenfalls darauf nieder. „Letzte Nacht hat Roland Jamey das Leben gerettet. Curtis hat ihn entführt, weil er so ist wie ich, einer von denen, die ihr die Auserwählten nennt. Das ist der Grund, warum Jamey und ich uns die ganze Zeit über so miteinander verbunden gefühlt haben. Ich bin fast verrückt geworden bei der Beschäftigung mit der Frage, was ich tun könnte, um gewiss zu sein, dass Jamey in Sicherheit ist … dass kein Verrückter wie Daniel im Namen der Wissenschaft auf die Idee kommt, seine Mutter zu ermorden und ihn dann zu adoptieren. Denn genau das hat Daniel getan, musst du wissen. Der Tod meiner Eltern war kein Unfall.“
Eric nickte. Diesen Verdacht hegte er bereits seit einer ganzen Weile.
Sie blickte Roland an. „Kathy sagt, dass du sie gebeten hast, zu einem deiner Anwesen in Frankreich zu reisen; dass du dort eine Vollzeithaushälterin brauchst, die vor Ort lebt, und dass du ihr diese Aufgabe gern übertragen würdest. Sie sagt, du hast ihr so viel Geld geboten, dass sie nicht ablehnen konnte.“ Tamara schüttelte den Kopf. „Nachdem du Jamey gesund und munter zurückgebracht hast, hätte sie es auch umsonst getan.“
„Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, konnte man das nicht unbedingt von ihm behaupten“, merkte Roland an. „Wie geht es dem Jungen?“
„Er wird wieder ganz gesund.“
Eric runzelte heftig die Stirn. „Irgendwie kann ich euch nicht folgen. Wenn der Junge einer der Auserwählten ist, wo war dann sein Hüter, als er in diesen ganzen Schlamassel geriet?“
Roland warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Das habe ich mich ebenfalls gefragt, bis mir ein Licht aufgegangen ist. Der Junge kann sich glücklich schätzen, eine Hüterin wie Tamara zu haben, Eric.“
„Was sagst du da?“
Tamara schien nichts von den Strömungen zwischen den beiden zu spüren. Sie ergriff Rolands Hand und hielt sie fest. „Vielen Dank, Roland. Jamey bedeutet mir so viel. Du sorgst dafür, dass sie unverzüglich das Land verlassen, ja? Bevor irgendjemand eine Verbindung zwischen Jamey und Curtis entdeckt und anfängt nachzuforschen.“
„Du hast mein Wort darauf, Kleine. Und nun mache ich mich besser aus dem Staub, bevor mein bester Freund noch zu meinem Scharfrichter wird.“ Er zwinkerte Eric zu. „Wage es nicht, dich gegen dein Schicksal zu sperren, Eric. Ich glaube, dass diese Weichen schon vor langer Zeit gestellt wurden.“ Ohne ein weiteres Wort ließ er sie allein.
Tamara stand abrupt auf und schritt rastlos vor dem Feuer auf und ab. „Auch wir müssen umgehend von hier verschwinden, Eric. Sobald man Curtis’ Leiche findet, werden sie mich verdächtigen, weil ich in diesem Haus gelebt und den Vorfall nicht gemeldet habe. Auch dich werden sie wegen des Einbruchs als Verdächtigen ansehen. Wir sollten von hier fortgehen.“ Vor dem glimmenden Kamin blieb sie stehen und wandte sich um, um ihn anzusehen. Das Feuer zauberte einen Heiligenschein über sie und ließ sie ätherisch erscheinen, ein wahrhaftiges Traumbild.
„Doch zuerst gilt es, noch etwas zu erledigen, und ich glaube, du weißt so genau wie ich, was.“
Eric erhob sich, kam zu ihr und schaute ihr ins Gesicht. Selbst der lupenreinste Diamant auf Erden wäre ihm nicht so wunderschön und kostbar erschienen wie sie. Himmel, seine Liebe zu ihr ging über jede Vorstellungskraft hinaus. Mehr als alles andere verlangte es ihn danach, sie für immer an seiner Seite zu haben. Er schluckte. „Es ist ein niemals endendes, einsames Leben, Tamara. Ein Leben in ewiger Nacht. In einer Welt ohne Sonne.“
„Wie kann es einsam sein, wenn wir zusammen sind?“ Sie packte sein Revers mit den Fäusten. „Wenn ich mich zwischen dir und der Sonne entscheiden muss, dann wähle ich dich, Eric, und das, ohne eine Sekunde zu zögern. Empfindest du nicht dasselbe für mich?“
Seine Kehle war wie zugeschnürt; mühsam brachte er die Worte heraus. „Du weißt, dass ich das tue. Doch Unsterblichkeit ist kein Geschenk, Tamara. Sie ist ein Fluch. Du wirst weiterleben, während du mit ansehen musst, wie all jene, die dir am Herzen liegen, zu Staub werden …“
„Jeder, der mir je am Herzen lag, ist tot, abgesehen von zweien: Jamey und du. Und sosehr ich ihn auch vergöttere, er ist nicht Teil meines Lebens. Er hat seine Mutter und ein eigenes Leben zu leben.“ Sie blinzelte, als ihre Augen
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